ZUM PROBLEM DER RESTITUTION
DER KIRCHE ALS RECHTSINSTITUTION
Vorwort der Redaktion
Der Beitrag von Herrn Jerrentrup über die "Restituierung der Kirche als
Rechtsgemeinschaft" im letzen Heft - Nr. 5 vom Dezember 1997, S.
139-153 - hat ein geteiltes Echo gefunden: teils zustimmend, teils
kritisch, häufig auch zurückhaltend, weil die Problematik vielen fremd
ist und eine thematische Aufbereitung bisher weitgehend fehlte - sieht
man einmal von den Ansätzen einer Bearbeitung der Restitution der
Kirche als Heilsinstitution ab. Deswegen soll diesem Thema auch
weiterhin Beachtung geschenkt werden.
Um da anzusetzen, wo der "Schuh wohl am meisten drückt", veröffentliche
ich einen der Leserbrie-fe, der mir Gelgenheit gibt, entstandene
Mißverständnisse zu klären und andere Punkte weiter
auszu-führen.
E. Heller
***
26. Dezember 1997
Sehr geehrter Herr Dr. Heller mit Familie!
Zum Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen den Segen des Jesuskindes und Seiner lieben Mutter Maria!
Ich finde Ihr Bemühen um die Gültigkeit der
Sakramente und die notwendige Grenzziehung zu nicht-katholischen Sekten
sehr wichtig. Entscheidend ist auch, daß wir immer den rechten Ton
finden, um die Menschen zu Christus zu führen.
Die Vorstellung, die rechtliche Organisation
der Kirche auf Grundlage des staatlichen Vereinswesens voranzutreiben,
halte ich dagegen für die katholische Kirche als solche unmöglich. (Für
Interessensgruppen innerhalb der Kirche ist die Organisation als
"Verein" dagegen in Grenzen denkbar, wie es heute ja auch bei den
Unterstützungvereinen für die einzelnen Kirchen und Kapellen meist der
Fall ist, um gewisse Vorteile im staatlichen Bereich wahrzunehmen).
Nach katholischer Auffassung nehmen Vereine
lediglich bestimmte Aufgaben innerhalb der Kirche wahr, sie können aber
nicht selbst die "Kirche" darstellen. Vereine in diesem Sinne kennt die
Kirche nicht.
Der katholische Glaube und das katholische
Bekenntnis ist immer personal. Katholisch ist man nicht durch die
Zugehörigkeit zu einem Verein, sondern durch den Glauben an Jesus
Christus und das Bekenntnis zu Ihm und Seinem Stellvetreter. Die
rechtmäßige Vertretung der Kirche erfolgt nicht durch einen
"eingetragenen Verein", sondern nur durch den Stellvertreter Christi
(der allerdings ein Vertretungsrecht einräumen kann). Das staatliche
Vereinswesen ist außerdem radikal demokratisch konzipiert, so daß
Mehrheiten im Verein praktisch alles ändern können, auch die Ziele und
die Satzungen, was dem Wesen der Kirche völlig fremd ist. Mit dem
Vereinsvorstand würden wir außerdem eine Parallelhierarchie zu dem von
Jesus Christus eingesetzten Hirtenamt schaffen, was zu unrechtmäßigen
Herrschaft einer Clique in der Kirche führen würde und vor Gott nicht
verantwortet werden kann.
Darüber hinaus müssen wir bedenken: Das
Bekenntnis zu einer namensmäßig von der römisch-katholischen Kirche
verschiedenen Kirche ist ein neues Bekenntnis und für einen wahren
Katholiken nicht annehmbar. Die Konzeption einer "Vereinskirche" stellt
somit die innere wie die äußere Katholizität der Kirche in Frage. Die
Versuche von Papstwahlveranstaltungen zeigen überdeutlich, daß die
Einheit der Kirche nicht durch äußere "Organisation" geschaffen werden
kann, wo sie innerlich fehlt. Das gilt für alle Bemühungen um die
Kirche, und das sollten wir auch hier bedenken. Zäumen wir also nicht
das Pferd vom Schwanze auf!
Wollen wir etwas für die Ordnung in der Kirche
tun, dann müßten wir uns meiner Meinung nach noch viel stärker um die
innere Einheit im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe bemühen.
Sie ist die sichtbare Voraussetzung für die organisatorische Einheit
der Kirche nach außen hin. Diese Einheit werden wir aber nur im Gebet
finden, weil sie nur der Heilige Geist geben kann.
Wir befinden uns in einer ähnlich wirren
Situation wie in der Zeit des abendländischen Schismas, wo viele
Gläubige zwar persönlich die Treue zur Kirche gesucht und gewollt
haben, aber durch äußere Umstände in drei verschiedene Lager zerrissen
waren, weil es drei Päpste gab, die "rechtmäßigen" Gehorsam forderten.
Der innere Wille zur Einheit und das
anhaltende Gebet zum Heiligen Geist ermöglichten schließlich trotz
zahlreicher "Pannen" die Einheit auch äußerlich sichtbar wieder zu
finden. Auch wir können heute nur diesen Weg in Treue zur Kirche und im
Vertrauen auf Gott weiter gehen, jeder an seinem Platz und gemäß seiner
Berufung, um in diesem Sinn dem Aufbau der Kirche nach dem Willen Jesu
Christi zu dienen. Kirchliche Ordnung gelingt nur dort, wo es die
Ordnung Jesu ist. Nach kirchlichem Recht ist auch "Vereinen" ein ganz
bestimmte Aufgabenbereich zugewiesen, der allerdings der Leitung durch
die rechtmäßigen Hirten unterliegt.
Unsere erste Aufgabe besteht meines Erachtens
heute darin, die übliche - aus der Not geborene - Vereinstätigkeit im
Hinblick auf die durch Christus gestiftete Ordnung der Kirche klar zu
definieren. Dazu gehört auch die Verwaltung der Gotteshäuser. Nach
kirchlichem Recht nimmt diese Aufgabe ein Kirchenstiftungsrat wahr,
dessen Mitglieder vom zuständigen Oberhirten (oder vom Rektor der
jeweiligen Kirche) ernannt werden, wodurch "Kirchengut" der Willkür
weltlicher Vereine enthoben bleibt.
Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Anmerkungen
nicht übel. Sie sind notwendig auf unserem Weg in schwieriger Zeit und
sollen vor allem den notwendigen Bemühungen um die katholische Kirche
dienen.
Mit den besten Segenswünschen für das neue
Jahr grüße ich Sie in Jesus und Maria - mit herzlichen Grüßen auch an
Herrn Jerrentrup.
Th. E.
***
Sehr geehrter Herr E.,
haben Sie zunächst vielen Dank für Ihre kritischen Zeilen vom 26.12.97,
auf die ich umso bereitwilliger eingehe, liefern sie doch eine Reihe
von Punkten, die sich leicht klären lassen. Sie gestatten aber, daß ich
auf Ihren Brief öffentlich antworte, weil die von Ihnen weiterhin
vorgetragenen Einwände und Befürchtungen sicherlich auch die Anliegen
einer Reihe von Lesern widergeben und von allgemeinerem Interesse sind.
Bevor ich aber auf Ihre Zeilen im einzelnen eingehe, zunächst noch eine
Feststellung: Die Ausführungen von Herrn Jerrentrup - man mag an ihnen
zu Recht auch Kritik anbringen - stellen einen entscheidenden Punkt zur
eigenen Standortbestimmung dar.
Sie haben natürlich recht, wenn Sie behaupten, die Kirche ist kein
Verein! Das hat aber weder Herr Jerrentrup noch ich je behauptet, und
darum geht es auch nicht! Sehr wohl ist es aber möglich, "die
rechtliche Organisation der Kirche auf Grundlage des staatlichen
Vereinswesens voranzutreiben", da man zur Außenbestimmung der Kirche
als Heilsinstitution auf eine vom Staat vorgesehene Form zurückgreifen
muß, wenn man diese rechtliche Formierung vorantreiben will. (Dazu
gleich aber mehr.) Um was geht es?
Ich war der - vielleicht naiven - Meinung, das Problem einer (rechtlich
institutionellen) Selbstbe-hauptung als wahrer Kirche im
gesellschaftlich-politischen Bereich deutlich umrissen zu haben, indem
ich das Szenarium der Problematik einer solchen Selbstdarstellung als
rechtgläubiger katholischer Christ aufgezeigt habe. Wie würden denn Sie
sich äußern, wenn Sie auf Ihre Kirchenzugehörigkeit z.B. von einer
Behörde oder anderen staatlichen Organen angesprochen werden? Sie
könn-ten natürlich angeben, Sie seien röm.-kath.. Darunter versteht
aber Ihr Ansprechpartner, daß Sie der 'Konzils-Kirche' angehören. Und
wenn Sie diese Angaben z.B. auf Ihrer Lohnsteuerkarte eintragen lassen,
heißt das in Deutschland: Ihre Kirchensteuer wird an die abgefallene
'Konzils-Kirche' abgeführt, d.h. Sie würden eine Organisation
unterstützen, die gegen den wahren Glauben gerichtet ist, was Ihnen als
Christ nicht erlaubt ist. (Eine solche Unterstützung wäre sogar schwer
sündhaft!) Im Todesfall könnten Sie nicht einmal ein wirklich
kirchliches Begräbnis beanspruchen. Es lohnt sich zu wissen, wie solch
moderne Beerdigungen ausschauen! Ich zeige hier nur einige Beispiele
einer solchen Zugehörigkeit auf.
Wenn Sie aber mit mir der Auffassung sind, daß diese 'Konzils-Kirche'
mit der wahren, von Christus gegründeten Kirche nicht mehr identisch
ist, daß sie gleichsam eine schleichende Mutation hinsichtlich ihres
Wesens, ihres Inhaltes und ihrer Aufgabe vollzogen hat (unter
Beibhaltung der alten kirchlichen Strukturen, unter Beibehaltung auch
des Namens), dann wäre es Ihre Pflicht, sich gegenüber dieser
Neugründung, die sich durch die Neufassung ihres CIC auch in ihrem
Selbstverständnis konsolidiert hat, abzugrenzen, nicht nur durch
dogmatische Inhalte, sondern auch durch institutionelle Schritte, die
vom Wesen der Kirche als sichtbare Heilsinstitution vorgegeben sind.
Um noch einmal auf meine Gretchenfrage zurückzukommen, wie beantworten
Sie die Frage z.B. eines Standesbeamten nach Ihrer
Kirchenzugehörigkeit, wenn Sie tatsächlich ernsthaft Ihre Position
vertreten wollen? Ich erlaube mir, die Antwort vorwegzunehmen. Sie
können zwar sehr genau Ihren Glauben beschreiben, aber Sie können nicht
sagen, welcher Kirche Sie angehören - einfach deshalb, weil es diese
wahre Kirche (weder als konsolidierte Heilsinstitution, geschweige denn
als rechtlich formierte Institution im staatlichen Bereich) (noch)
nicht gibt!! 1)
Die intendierte Selbstbehauptung als Kirche, als Heilsinstitution - der
Glaube an Christus ist zwar wesentlich, aber er alleine bewirkt noch
nicht die Zugehörigkeit zu Seiner Kirche! - bedeutet in der jetzigen
Situation, die uns durch den Abfall der Hierarchie aufgelastet wird,
daß hier ein Wiederaufbau der Kirche von den verstreut lebenden, übrig
gebliebenen Gläubigen ins Auge gefaßt werden muß, der sowohl die
Restituierung der Kirche als hierarchisch strukturierte
Heilsinstitution (mit einer internen Kirchenrechtsverfassung im Sinne
des CIC) als auch eine Formierung in rechtlicher Hinsicht nach außen
hin. (N.b. die heutige Situation hat mit einem Schisma nichts zu tun!
Wir haben nicht das Problem, daß wir nicht wissen, wer von drei
rechtgläubigen 'Päpsten' der eigentliche Papst ist, sondern wir wissen,
daß der De-facto-Inhaber des römischen Stuhles abgefallen ist.) Die
sichtbare, d.h. juridisch erfaßbare und abgesicherte Selbstbehauptung
liegt im Wesen der Kirche selbst begründet, die den Auftrag von
Christus erhalten hat, die Welt zu verchristlichen, ihr Sein
Heilsangebot zu eröffnen, ohne von der Welt selbst zu sein. Ich
verweise nur auf die vielen Stellen im Neuen Testament, wo Christus
diese Aufgabe in Gleichnissen illustriert: "Ihr seid das Licht der
Welt" (Mt. 5,14); "Ihr seid das Salz der Erde" (Mt. 5,13); "die Stadt
auf dem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben" (Mt. 5,14). Die
Kirche ist keine bloße Gesinnungsgemeinschaft - diese Idee liegt im
Wesentlichen dem protestantischen Kirchenbegriff zugrunde -, wobei es
lediglich darum geht, diese Gesinnung zu bekennen. Eine solche 'Kirche'
benötigte weder eine Hierarchie noch institutionelle Formen. Die Kirche
ist deshalb Heilsinstitution, weil sie die Gnadenmittel Gottes
verwalten soll, weil sie die Glaubenssätze - unangetastet vom
Reflexionsstand der Mitglieder und unabhängig von den Interessen der
Mitglieder einer Gesinnungsgemeinschaft - als Vermächtnis und Auftrag
Christi beschützen und bewahren soll (Lehramt). D.h. diese Kirche hat
damit zugleich auch die Pflicht, sich so darzustellen, daß sie die von
Christus beauftragte, d.h. einzig wahre und legiti-mierte kath. Kirche
ist. Sie muß sich als solche zu erkennen geben, um ihren
Missionsauftrag er-füllen zu können, um sich als "die Stadt auf dem
Berge" darzustellen, damit sie nicht nur den eige-nen Gläubigen,
sondern auch den nach dem "Licht" suchenden Menschen Orientierung hin
zum geoffenbarten Gott und Seiner Heilsbotschaft sein kann.
Dieser Wiederaufbau würde konkret umfassen einmal die Sammlung und
Zusammenfassung der verstreuten Diaspora-Christen zu Kirchengemeinden
und die Wiedererrichtung der Hierarchie, um das Bestehen der Kirche als
Heilsinstitution und ihre Leitung zu garantieren. (N.b. das
Fehlschlagen der bisherigen, sog. 'Papstwahlen', auf welches Sie
hinweisen, lag nicht daran, daß die "Einheit der Kirche nicht durch
äußere 'Organisation' geschaffen werden kann", sondern daran, daß die
zugrunde gelegten Kirchenkonzepte falsch waren.) Die innere
Rechtsrelevanz der Kirche (im Sinne des Kirchenrechts) ergibt sich aus
dem objektiven Charakter dieser Institution, d.h. die Vorgänge in
diesem Bereich müssen für die Kirchenmitglieder objektiv erfaßbar sein
- dies als Ergänzung zu den früheren Darlegungen. Zum anderen ergibt
sich aus dieser Sachlage u.a. die Aufgabe (da es sich bei der Kirche um
ein ganz bestimmtes Sozialgebilde handelt), die Kirche nach außen - in
Abgrenzung zu anderen Religionen und anderen Bekenntnissen, aber auch
gegenüber anderen Rechtspersonen, mit denen man als katholischer
Christ, als Mitglied der wahren Kirche in Verbindung treten will -, als
Rechtsinstitution zu formieren. Darüber handelt der Beitrag von Herrn
Jerrentrup.
Er hat die möglichen Rechtsformen, in denen eine solche Formierung
erfolgen könnte, der Reihe nach untersucht, ihre Vor- und Nachteile
aufgelistet und sich dann für die Vertretungsform eines eingetragenen
Vereins entschieden, der nach seiner Meinung den größtmöglichen
Freiraum für die eigenen Interessen läßt. Von dieser rechtlichen
Außenvertretung bliebe das Wesen der Kirche völlig unberührt.
Verschiedene orthodoxe Kirchen in Deutschland haben sich auch für die
Rechtsform des eingetragenen Vereins entschieden, ohne dadurch ihren
Kirchenbegriff, ihr kirchliches Selbstverständnis preisgegeben zu
haben. Haben Sie, verehrter Herr E., jemals befürchtet, daß das Wesen
der katholischen Kirche tangiert war, als sie als Rechtsinstitution die
Form einer "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" besaß? Vielleicht
war Ihnen nicht einmal so richtig bewußt, daß es solch eine
Rechtsformierung gab. Es ist überhaupt kein Problem, eine Satzung so zu
gestalten, daß alle Momente, die zur Konstitution der Kirche gehören,
darin berücksichtigt werden, auch wenn nach Ihrer Meinung das
"staatliche Vereinswesen (...) radikal demokratisch konzipiert" ist.
Was den Vorschlag einer Namensgebung betrifft, so ist sie in
Deutschland bedingt durch das geltende Namensrecht. Ich erlaube mir,
Ihnen hier die Antwort von Herrn Jerrentrup zu übermitteln, welche er
mir auf Ihren Einwand hin zugesandt hat:
"Die Änderung der Bezeichnung bedeutet nicht die Änderung des Begriffs.
Daß sich die abgefallene Amtskirche in Deutschland "Katholische Kirche"
bzw. "Römisch-katholische Kirche" nennen darf, dafür den Schutz des
Bürgerlichen Gesetzbuches beanspruchen kann und für diese Auffassung
auch noch vom Bundesverfassungsgericht Recht bekommt, ist
zugegebenermaßen ärgerlich, aber nicht zu ändern. Mal ehrlich: Wie
sollten die Gerichte auf der Basis des bestehenden Rechts denn auch
anders entscheiden? Trotzdem bleibt die Aufgabe, die (Rest)-Kirche als
juristische Person in der Öffentlichkeit wieder präsent zu machen,
rechtens bestehen. Als solche Person braucht sie einen Namen - der aber
nicht "katholische Kirche" oder "römisch-katholische Kirche" lauten
darf. Kein Rechtspfleger beim Registergericht wird eine solche
Vereinigung eintragen! Das war der Grund, warum ich den Vorschlag
"lateinisch-katholische Kirche" machte. Ich warte immer noch auf
Stellungnahmen oder Alternativvorschläge dazu." (Soweit Herr Jerrentrup)
Eine Beibehaltung "römisch-katholisch" wäre nur dann möglich, wenn wir
unter Berufung auf die DECLARATIO S.E. Mgr. Ngô-dinh-Thuc über die
Sedisvakanz einen Prozeß anstrengen und gewinnen würden, worin
festgeschrieben wäre, daß die 'Konzils-Kirche' zu Unrecht den Namen
"röm.-kath. Kirche" führen würde. Aber die veränderte Namensgebung, die
uns aufgezwungen würde, änderte sicherlich nichts an der Identität der
Kirche. Um es an einem Beispiel zu illustrieren: auch wenn Sie sich
einen Künstlernamen zulegten, würde sich dadurch nichts an der
Identität Ihrer Person ändern!
Gestatten Sie am Schluß, daß ich noch auf einige Ihrer Vorschläge
eingehe, sich einmal weiter "um die innere Einheit im Glauben, in der
Hoffnung und in der Liebe" zu bemühen, weil sie Ihrer Meinung nach die
Voraussetzung für die organisatorische Einheit der Kirche nach außen
hin sind. Daß man sich darum bemüht und dafür betet, dagegen ist nichts
einzuwenden. Aber ein solches Beten und Bemühen taucht in einer ganzen
Reihe von liturgischen Gebeten so und in ähnlicher Form auf und ist
unspezifisch für die Bewältigung unserer Situation. Ich bitte Gott im
Gebet, mir Seine Gnaden und Seine Hilfe zu schenken, um bestimmte
Aufgaben zu erfüllen. Die Einheit im Glauben - meine ich - haben wir,
indem wir doch den gleichen Glauben bekennen. (Die Einheit in der Liebe
- ich meine, das bleibt eine immerwährende Aufgabe, die hier auf Erden
auch in der 'guten alten Zeit' nur sehr, sehr ungenügend erfüllt
wurde.) Was uns aber fehlt, ist der Wiederaufbau der Kirche. Und dieser
Wiederaufbau ist für die Existenz der Kirche lebenswichtig, sollen
nicht alle bisherigen Bemühungen im Sektierertum enden. Darum müßten
wir ununterbrochen beten!!
Es gab und gibt, besonders unter Klerikern die Tendenz, solche
Bemühungen um die Restitution der Kirche als organisatorischen
Aktivismus zu verketzern, da er an den wahren Problemen der
Glaubenskrise vorbeigehen würde. (Ich möchte hier keine Namen nennen,
Sie dürfen mir aber abnehmen, daß ich Ihnen diese Haltung dokumentieren
könnte.) Meiner Meinung nach - und da stütze ich mich auf eine lange
Beobachtung - versteckt sich hinter solcher Haltung vielfach die
Einstellung, alles so im Chaos zu belassen, um selbst ja nicht mehr in
geordnete Verhältnisse eintreten zu müs-sen. Jeder Kleriker kann tun
und lassen, was er will, jeder ist sein eigener Papst mit eigenem
Klientel. In einer solch katholisierenden 'Personen'-Kirche, kann dann
jeder sein sektiererisches Süppchen nach Gutdünken kochen. Und genau
dieser sektiererische Geist (oder diese Blindheit oder dieser Egoismus)
hat es bisher verhindert, daß es selbst dreißig Jahre nach dem Konzil
nicht einmal einen Zusammenschluß der rechtgläubigen Kleriker im
deutschsprachigen Raum zur Bewältigung der pastoralen Aufgaben gibt! Es
genügt eben nicht mehr, nur einfach den "Glauben zu bekennen"! Zum
wahren Christ-Sein gehört unter den gegebenen Umständen auch die
Übernahme organisatorischer Aufgaben. Und an dieser Übernahme beweist
sich meines Erachtens wahres Christ-Sein! Alle großen Päpste der
Frühzeit haben eine immense organisatorische Arbeit geleistet! Denken
Sie nur an den hl. Leo d.Gr., der seine päpstliche Macht entschieden
einsetzte, um in der damaligen Zeit (ca. 440-460) Regelungen im Sinne
der Kirche zu erreichen. Denken Sie an den hl. Pius X., der die ersten
Sprossen seines priesterlichen Wirkens dadurch erklomm, daß er
gleichsam als Buchhalter die zerrütteten Finanzen seines Seminars
erfolgreich ordnete.
Um noch einen Hinweis zu geben: die Regelung für die Verwaltung der
Kapellen, die Ihnen ein Anliegen ist, hat doch nur dann einen Sinn,
wenn diese Kapellen Gotteshäuser der wahren Kirche sind. Wo aber ist
die?
Mit den besten Grüße
Ihr Eberhard Heller
Anmerkung:
1) Ich darf hier noch einmal meinen fiktiven Dialog einspielen, damit
klar wird, welches Problem in dieser Situation auftaucht: Man versuche
doch einmal, einer staatlichen Stelle (Einwohnermeldeamt, Paßbehörde,
Gericht etc.), von der man nach der Konfessionszugehörigkeit gefragt
wird, zu erklären, zu welcher Glaubensgemeinschaft man denn eigentlich
gehöre. Im Brustton tiefster (traditionalistischer Überzeugung) wird
geantwortet, man sei "röm.-kath." Das heißt im Rechtsbereich -
verbindlich! -, man gehöre der sog. 'Konzils-Kirche' an, denn eine
andere Religionsgemeinschaft ist unter dem angegebenen Namen nicht
bekannt. Aber das will man ja gerade nicht! (...) Also muß man dem
Staatdiener erklären, man sei kein Modernist, sondern man sei
konservativ eingestellt, man sei rechtgläubig. Der informierte Beamte
weiß Bescheid, dank der öffentlichen Debatten: man wolle also sagen,
daß man als Sympathisant der schismatischen Bewegung des verstorbenen
Erzbischofs Lefebvre angehöre. Kommt die Zusatzfrage: "Sagen Sie
einmal: Gehören denn die noch zur kath. Kirche?" - Nein, man sei auch
kein Lefebvreianer. - "Auch das nicht?" Jetzt wird's für den
Staatsdiener wirklich schwierig, weitere Kriterien für die
Kirchenzugehörigkeit aufzustellen: "Ja, welchem Bischof unterstehen Sie
denn?" - "Zur Zeit keinem." - Spätestens ab da ist es dem Beamten
völlig klar, daß der Betreffende - rechtlich gesehen - Sektierer ist,
also jemand ohne bestimmte Kirchenzugehörigkeit. Nicht einmal den
Status einer sog. Freikirche kann man beanspruchen, denn diese sind
registriert. Und dieser Feststellung kann man nicht einmal
widersprechen! Diese Einordung ist nicht nur unter
staatlich-rechtlichem Aspekt so zu sehen, sondern auch unter
kirchlich-institutionellem Gesichtspunkt. (Ist der Betreffende
vielleicht noch Kleriker und trägt Soutane, könnte es ihm sogar
passieren, daß er wegen Verstoßes gegen die Kleiderordnung bestraft
wird - und das völlig legal.)
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