DIE RESTITUTION DER KIRCHE ALS RECHTSGEMEINSCHAFT
von
Christian Jerrentrup
Vorwort der Redaktion
Dem mahnenden Auftrag zum Wiederaufbau der Kirche mangelt es nicht nur
an entschiedenem Ein-satz, sondern es fehlen auch noch bestimmte
Partien eines Gesamtkonzeptes zu seiner Durchführung. Auch wenn die
Debatte um die dogmatischen bzw. sakraments-theologischen und
moral-theologischen Probleme weit fortgeschritten ist, so ist die
Diskussion um die Restitution der Kirche als Heilsinstitution von
seiten der Redaktion vor etlicher Zeit abgebrochen worden, einmal, weil
wir aus Zeitmangel nicht mehr zu deren Fortführung kamen und zum
anderen, weil sich dieses Problem hinsichtlich seiner Realisation als
äußerst schwierig gestalten würde. Die Bearbeitung der Frage, wie die
Formierung der Kirche als Rechtskörper in einem
gesellschaftlich-politischen Umfeld zu bewältigen sei, wurde sogar
bisher überhaupt noch nicht behandelt.
Nun hat sich erstmals Herr Jerrentrup dieses Themas angenommen. Man
könnte einwenden: Dieser Aspekt der Restitution der Kirche als
Rechtskörper ist sicherlich ein abgeleiteter; denn er setzt
konzeptionell die Existenz der Glaubensgemeinschaft und die
Installation dieser Glaubensgemeinschaft als Kirchengemeinschaft
voraus. Es könnte daher heißen, "das Pferd beim Schwanz aufzäumen",
wenn nicht schon ein wesentlicher Teil der logisch vorrangigeren
Probleme - die theoretische Erarbeitung eines Konzeptes zum kirchlichen
Wiederaufbau - schon geleistet wäre, d.h. wenn nicht klar wäre, daß
sich die Gemeinschaft der Gläubigen institutionell formieren müßte.
Dieser Punkt ist uns inzwischen schon - besonders durch einige
Störaktionen sogar peinlich - bewußt geworden. (Das Problem fehlender
Hierarchie hat einigen so arg auf den Nägeln gebrannt, daß sie sich zu
deren Lösung in unverantwortliche sog. 'Papstwahl'-Abenteuer
eingelassen haben. Ich denke da an den Fall Bawden und das Unternehmen
Gerstner.)
Warum ist diese Klärung der kirchlich-institutionellen und der
rechtlich-organisatorischen Problematik bzw. die praktische Umsetzung
der sich daraus ergebenden Forderungen eigentlich so dringend
notwendig? Dazu im folgenden einige weiterführende Erläuterungen:
Der Widerstand gegen die Reformen, die im Zuge von Vatikanum II
eingeführt wurden und sich immer deutlicher als dogmatisch relevante
Veränderungen, ja Verfälschungen des Depositum entpuppten, formierte
sich anfangs verhalten, mit zunehmender Transparenz der Zersetzung aber
recht zielstrebig und konzentriert. An der Berechtigung dieses
Widerstandes gab und gibt es keinen Zweifel, denn es ging ihm um die
unmittelbare Bewahrung des Glaubensgutes und die Sicherung gültiger
Sakramente, vornehmlich des hl. Meßopfers. Als sich herausstellte, daß
sich vor unseren Augen eine gezielte Revolution von oben vollzog, mit
dem Ziel, die ursprünglich kath. Kirche in ein inhaltlich völlig
verändertes Kirchengebilde - die so entstandene 'Konzils-Kirche' -
umzuwandeln, mit der eine sukzessive, aber dennoch systematische
Zerstörung der wahren Kirche einherging, konnte es beim bloßen
Widerstand gegen dieses Vorgehen nicht bleiben. (Das neue
Kirchengebilde hat seinen vorläufigen Abschluß in der Herausgabe des
neuen Welt-Katechismus und des neuen Codex gefunden. Von seiner
Propaganda wurden viele einfach überrollt.) Der Wiederaufbau der
Kirche, die sich im Widerstand in Teilen erhalten hatte, mußte in
Angriff genommen werden; denn ein Verbleiben in dem mutierten
Kirchenverband, der wesentliche Glaubenspositionen verfälschte oder
leugnete, war aus dogmatischen Gründen für einen überzeugten Christen
nicht mehr möglich. Als Aufbruch zur Restitution der Kirche als
Heilsinstitution mag man die DECLARATIO von Erzbischof Ngô-dinh-Thuc
von 1982 ansehen, in der er nicht nur den Hl. Stuhl für vakant
erklärte, sondern auch den kirchlichen Wiederaufbau ansprach.
In diesem Prozeß der Restitution befinden wir uns. Leider vollzieht er
sich nur sehr zögerlich, und häufig wird er auch aus den eigenen Reihen
torpediert. Mit der Einstellung, es genüge, den wahren Glauben treu zu
vertreten und die Gläubigen in Meßzentren zu versammeln, werden die
weitergehenden, kirchlichen Probleme meist nicht mehr reflektiert.
Viele sind in der Tat von der Situation überfordert und/oder fühlen
sich von den berufsmäßigen Theologen im Stich gelassen. Eine ganze
Reihe von Gläubigen zieht sich aber auch ins 'katholische'
Nischendasein zurück - Gründe für dieses Verhalten gibt es viele. Die
Vorstellung von der Kirche als Heilsinstitution, die durch die
Gliedschaft der Gläubigen ein eigenständiges Sozialgebilde ist, welches
in und für bzw. gegenüber der Gesellschaft u.a. auch bestimmten
Aufträgen bzw. Aufgaben, u.a. den der Missionierung (denn: "Ihr seid
das Licht der Welt!") zu erfüllen hat, wird unterdrückt. Die
Auffassung, daß es bei der Behauptung des Glaubens nicht einfach um
eine Frage der persönlichen Gesinnung, sondern um ein Gut geht, welches
man nur innerhalb der Kirche hatte erwerben können, wodurch die
Behauptung, ein wahrer kath. Christ zu sein, erst legitimiert wird,
wird teilweise nicht (mehr) gesehen. Einen klaren Begriff von der
Kirche haben nur wenige, was nicht weiter verwunderlich ist, da ihre
Existenz bisher von den meisten Gläubigen unreflektiert angesetzt wurde
- sogar verständlich, weil man sich ja in ihr eingebunden fand. Dennoch
muß man sich gerade unter den gegebenen Umständen um präzise
Vorstellungen von der Kirche als Heilsinstitution bemühen, muß man doch
wissen, was man wiederaufbauen soll. Man darf nicht bei der Formierung
der Gemeindegruppen, die man vielleicht als Vorstufe zur kirchlichen
Konsolidierung ansehen kann, und der Einrichtung von Meßzentren (mit
Trägervereinen zu deren Unterhalt) stehen bleiben. Diese Gruppen müssen
sich sehen als Teile einer umfassenden Kirchen-Gemeinschaft, der
Christus seine Heilsgaben anvertraut hat und die Er beauftragte, der
Welt Sein Heil zu verkündigen und zu bringen. D.h. diese Kirche hat
damit zugleich auch den Auftrag, sich so darzustellen, daß sie die von
Christus beauftragte, d.h. einzig wahre und legitimierte kath. Kirche
ist. Sie muß sich als solche zu erkennen geben, um ihren
Missionsauftrag erfüllen zu können, um sich als "das Licht auf dem
Berge" darzustellen, damit sie nicht nur den eigenen Gläubigen, sondern
auch den nach dem "Licht" suchenden Menschen Orientierung hin zum
geoffenbarten Gott und Seiner Heilsbotschaft sein kann. Als
Heilsinstitution muß sie sich deshalb abgrenzen gegenüber anderen
gesellschaftlichen Gruppierungen und Religionsgemeinschaften, weshalb
sie sich auch in rechtlicher Hinsicht formieren muß.
Unsere Situation bringt es jedoch mit sich, daß diese
Rückbesinnung/-beziehung auf die Kirche als der von Christus
gegründeten Heilsinstitution für viele unter den gegebenen Umständen
problematisch geworden ist. Denn die Frage muß beantwortet werden: Wie
kann diese konkrete Rückkopplung an jene Institution, durch die mir
erst das Heil eröffnet wurde, heute vollzogen werden, da sie nicht mehr
das ist, was sie sein sollte (wegen Abfalls oder Häresie ihrer
Hierarchie)? Diesem Umstand muß Rechnung getragen werden. Das
veränderte Verhältnis Glaube - Kirche (und dessen Rückbindung an sie)
muß also näher untersucht werden. Es muß eruiert werden, wo denn unter
diesen Umständen die Kirche (noch) existiert, von der Christus
prophezeit hat, "die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen".
Ohne diese Präzisierung und Neu-Bestimmung der kirchlichen Präsenz,
ohne zumindest den Wiederaufbau zu intendieren, läßt sich der
Standpunkt, ein wahrer Gläubiger, ein wahrer Christ zu sein, auch nicht
wirklich aufrecht erhalten. Denn ohne diese Bestim-mung der kirchlichen
Zugehörigkeit verlöre man diese als Institution bald aus den Augen und
würde einem bloßen Überzeugungs- bzw. Gesinnungschristentum (welches
dem Kirchenverständnis der Protestanten ähnelte) verfallen.
Damit klar wird, was hier konkret gemeint ist: Man stelle diese
Position - ein katholischer Christ mit vorkonziliarem Glauben zu sein -
einmal auf den Prüfstand und versuche doch einmal, einer staatlichen
Stelle (Einwohnermeldeamt, Paßbehörde, Gericht etc.), von der man nach
der Konfessionszugehörigkeit gefragt wird, zu erklären, zu welcher
Glaubensgemeinschaft man denn eigentlich hingehöre. Im Brustton
tiefster (traditionalistischer Überzeugung) wird geantwortet, man sei
"röm.-kath." Das heißt im Rechtsbereich - verbindlich! -, man gehöre
der sog. 'Konzils-Kirche' an, denn eine andere Religionsgemeinschaft
ist unter dem angegebenen Namen nicht bekannt. Aber das will man ja
gerade nicht! - außer man ist Ecônist oder extremer De-Laurierist (d.h.
man vertritt die These: "Papa materialiter, non formaliter"). Diese
beiden Gruppen sehen sich bekanntlich als traditionalistische Flügel
der 'Konzils-Kirche'. Also muß man dem Staatdiener erklären, man sei
kein Modernist, sondern man sei konservativ eingestellt, man sei
rechtgläubig. Der informierte Beamte weiß Bescheid, dank der
öffentlichen Debatten: man wolle also sagen, daß man als Sympathisant
der schismatischen Bewegung des verstorbenen Erzbischofs Lefebvre
angehöre. Kommt die Zusatzfrage: "Sagen Sie einmal: Gehören denn die
noch zur kath. Kirche?" - Nein, man sei auch kein Lefebvreianer. -
"Auch das nicht?" Jetzt wird's für den Staatsdiener wirklich schwierig,
weitere Kriterien für die Kirchenzugehörigkeit aufzustellen: "Ja,
welchem Bischof unterstehen Sie denn?" - "Zur Zeit keinem." -
Spätestens ab da ist es dem Beamten völlig klar, daß der Betreffende -
rechtlich gesehen - Sektierer ist, also jemand ohne bestimmte
Kirchenzugehörigkeit. Nicht einmal den Status einer sog. Freikirche
kann man beanspruchen, denn diese sind registriert. Und dieser
Feststellung kann man nicht einmal widersprechen! Diese Einordung ist
nicht nur unter staatlich-rechtlichem Aspekt so zu sehen, sondern auch
unter kirchlich-institutionellem Gesichtspunkt. (Ist der Betreffende
vielleicht noch Kleriker und trägt Soutane, könnte es ihm sogar
passieren, daß er wegen Verstoßes gegen die Kleiderordnung bestraft
wird - und das völlig legal.)
Spätestens hier muß klar werden, daß wir mit diesem bloßen
Gesinnungs-Christentum nicht weiter-kommen. Wir müssen uns eingestehen,
daß wir uns bisher weder institutionell als kirchliche Gemeinschaft
bestimmt, geschweige denn organisiert haben, noch uns einen daraus
abgeleiteten Rechtsstatus im gesellschaftlich-politischen Bereich
zugelegt haben, um uns als eigenständigen Sozialkörper rechtlich gegen
konkurrierende Gemeinschaften (z.B. gegenüber der 'Konzils-Kirche')
abgrenzen zu können. Ähnlich den Meßzentrums-Gemeinden, die nur als
Vorstufen zur Bildung von wirklichen Kirchengemeinden anzusehen wären,
könnte man die Trägervereine allenfalls als Vorstufe zu einer
rechtlichen Formierung gelten lassen. (N.b. dem Vorwurf der Sektiererei
kann man unter den gegebenen Umständen nur dadurch entgehen, daß man
den Wiederaufbau der Kirche tatkräftig vorantreibt oder ihn zumindest
ernsthaft intendiert. Nur unter dieser Voraussetzung kann man sich auch
katholischer Christ nennen.)
Wenn uns also jemand nach unserer Kirchenzugehörigkeit fragt, können
wir ihm (noch) keine präzise Antwort geben, wir sind "stumme Hunde".
Offizielle Fragen nach der Religionszugehörigkeit geraten deshalb
notwendigerweise zu Peinlichkeiten. Nur wenige begreifen (oder
begriffen) auch, was es heißt, die Kirche solle eine sichtbare
Institution sein. Das Resultat: die jeweiligen Gruppen schauen über den
Horizont ihres Meßzentrums nicht hinaus. Man kann sicher sein: mit
diesem Rückzug auf die Ebene eines bloßen Gesinnungs-Christentums, mit
der individualisierenden Art praktizierter Pastoral, die nur der
Stillung religiöser Bedürfnisse dient, sind die Voraussetzungen
geschaffen auszulaufen. Der Hinweis, die "Pforten der Hölle werden sie
nicht überwältigen", gilt der Kirche, nicht aber einer Menge von
Einzel-Gläubigen.
So bleiben als vorrangige Aufgaben bestehen:
— die Erarbeitung eines durchgängigen Konzepts zur Restitution der
Kirche als Heilsinstitution und deren konkreter Umsetzung - angefangen
bei der organisatorischen Zusammenfassung der verschiedenen Gruppen auf
den einzelnen nationalen Ebenen als Glaubensgemeinschaft bis hin zur
Restitution der Primatialgewalt,
— die jeweilige rechtliche Absicherung dieser Kirchengemeinschaft(en) auf der entsprechenden zugehörenden staatlichen Ebene.
Unsere zehnjährige Tochter wurde vor kurzem von ihrem Lehrer nach ihrer
Religionszugehörigkeit gefragt, da sie als einzige der Schule den
schulischen (reformerischen) Religionsunterricht nicht besucht. Sie
antwortete, sie sei katholisch, aber nicht römisch - und damit hatte
sie einen schwierig zu erklärenden Sachverhalt nicht einmal so schlecht
umschrieben.
Eberhard Heller
***
Vorüberlegung
Unter "Restitution der Kirche als Rechtsgemeinschaft" verstehe ich die
Wiederherstellung der Rechtsfähigkeit der römisch-katholischen Kirche
in der heutigen Gesellschaft und ihren Wiedereintritt ins öffentliche
Leben.
Das setzt allerdings voraus, daß sich diese "römisch-katholische
Kirche" als religiöses Gebilde deutlich faßbar konstituiert, was bisher
nicht geschehen ist.
Diese Restitution der Kirche als Rechtsgemeinschaft darf nicht mit ihrem Wiederaufbau als Heilsinstitution verwechselt werden.
Letzterer handelt von der Sicherstellung des sakramentalen Lebens, der
Fortführung der Weihehierarchie, der Papstwahl etc. und wurde schon des
öfteren in der EINSICHT behandelt.1) Natürlich ist der Wiederaufbau der
Kirche als Heilsinstitution dieVoraussetzung für ihren Wiederaufbau als
Rechtsgemeinschaft, er allein ist aber nicht hinreichend. Am besten
laufen beide Bemühungen parallel.
Die römisch-katholische Kirche kann sich nicht weltweit als eine
Rechtsvereinigung realisieren, da die dafür erforderlichen
Rechtsinstrumentarien bisher nur auf nationalstaatlicher Ebene zur
Verfügung stehen. Ich beschränke mich daher auf die Verhältnisse in
Deutschland; für andere Staaten müssen analoge Überlegungen angestellt
werden. - Wie sich die Verhältnisse in der "Europäischen Union"
entwickeln, muß abgewartet werden; entsprechende Statuten sind allem
Anschein nach in Arbeit. 2)
Im folgenden will ich zunächst historisch aufzeigen, welche
Rechtsformen die Kirche in ihrer Geschichte zur Durchführung ihres
Auftrags angenommen hatte, um dann konkrete Vorschläge für eine
Realisierung in der Bundesrepublik Deutschland zu diskutieren. 3)
I. Rechtsformen der Kirche in ihrer Geschichte
a) Von der Gründung der Kirche bis zum Untergang der Urgemeinde im Jahre 66
Die Gründung der Kirche, die man mit der Berufung der ersten Apostel
beginnen lassen kann, fand in den vierzig Tagen bis zur Himmelfahrt
Christi ihren Abschluß. Nach der Auferstehung hatten die Apostel vom
Herrn, der auf wundersame Weise unter ihnen weilte, die letzten
Weisungen und Vollmachten für ihre weitere Tätigkeit erhalten: Petrus
wurde als Oberhaupt der Kirche eingesetzt 4), die Apostel sollten alle
Völker in Jesu Auftrag lehren 5), sie erhielten die Vollmacht und den
Auftrag der Sündenvergebung 6) und die Zusage des ständigen Beistandes
Christi 7); ihnen wurde die Sendung des Hl. Geistes verheißen 8) und
schließlich angekündigt, daß sie überall Zeugnis für den Herrn ablegen
würden 9). Diese Voraussage der weltweiten Zeugenschaft ("bis an die
Grenzen der Erde") setzte voraus, daß die Apostel in der Öffentlichkeit
auftreten würden, sie schloß eine "Untergrundkirche" als rein
sakramentalen Versorgungsbetrieb definitiv aus. Die Kirche ist nicht
nur für sich da, sondern auch für die Welt. Bereits vor dem Hohen Rat
hatte Jesus den Öffentlichkeits-Charakter seiner Lehre betont 10). Es
kann also kein Zweifel bestehen: Jesus Christus will, daß die von ihm
gegründete Kirche sichtbar sei.
Mit der Himmelfahrt Christi am vierzigsten Tag nach der Auferstehung
fand die Gründung der Kirche ihr definitives Ende. Jetzt war die Kirche
zwar mit allen Merkmalen da, die im Glaubensbekenntnis benannt sind
("einig, heilig, katholisch, apostolisch"), aber sie war für der
Öffentlichkeit noch nicht sichtbar. Nach der Sendung des Hl. Geistes am
Pfingstfest traten die Apostel unter Führung des hl. Petrus an die
Öffentlichkeit, weil sie dem Willen Christi entsprechen wollten11).
Jetzt erst wurde die Kirche öffentlich sichtbar! Zurecht heißt dieses
erste Pfingstfest daher der "Geburtstag der Kirche".12)
Wie war die Kirche in Judäa, also die Urgemeinde zu Jerusalem und die
judenchristlichen Gemeinden im übrigen Judäa und Galiläa, rechtlich
organisiert? Hier ergibt sich das Problem, "daß wir über die
Rechtsverhältnisse Judäas zur Zeit Jesu nur fragmentarisch unterrichtet
sind. Wir wissen, wenn von den Angaben der Evangelien abgesehen wird,
nichts Bestimmtes darüber, wie die rechtlichen Befugnisse der römischen
Behörde und die der einheimischen jüdischen Behörde gegeneinander
abgegrenzt waren. Wir besitzen weder den Senatsbeschluß über die
Errichtung der Provinz Judäa noch irgend eine Urkunde über das
juristische Arrangement, das bei Schaffung einer der vielen sonstigen
damals existierenden römischen Provinzen vorgenommen wurde." 13) Daß
die Römer den Juden aber sehr weit entgegenkamen, beweist die Tatsache,
daß Juden vom Kaiserkult und Militärdienst dispensiert waren, daß der
Statthalter nicht in Jerusalem, sondern in Cäsarea (maritima)
residierte, daß selbst die "Judengemeinden in Alexandrien und
Kleinasien [...] ihre eigene Gerichtsbarkeit [besaßen]" 14). So wundert
es nicht, daß das Synedrium in Jerusalem (der Hohe Rat, der auch Jesus
verurteilte), "die Zivilgerichtsbarkeit nach jüdischem Recht [ausübte]"
15). Das zugrunde liegende jüdische Recht war aus dem Alten Testaments
entnommen oder abgeleitet, war also ein auf Offenbarung beruhendes
Recht, kein Naturrecht. Da es im Alten Testament m.W. kein
"Körperschaftsrecht" oder "Vereinsrecht" in unserem Sinne gab, konnte
sich die junge Kirche auch nicht nach diesen Kriterien organisieren.
Durch das öffentliche Auftreten bezogen die Apostel allerdings eine
ganz bestimmte inhaltliche Position im gesellschaftlichen Umfeld, durch
die sie sich als Gruppierung sowohl von den Juden, die Jesus nicht als
Messias annahmen, als auch von der (römischen) Staatsgewalt im
damaligen Israel abgrenzten 16). Es ließ sich völlig eindeutig
feststellen, wer zu dieser Gruppierung (= Kirche) gehörte und wer nicht
17). Als Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat verhört wurden,
identifizierte man sie als "Anhänger Jesu" (Apg 4, 13). Demgegenüber
standen "der Hohepriester ... und seine Anhänger" (Apg 5, 21) als
Gegenpartei. Die Gruppierung als Ganzes wurde von den jüdischen Gegnern
"Sekte der Nazarener" (Apg 24, 5) genannt. Da es damals nicht
allzuviele religiöse Gruppierungen gab (Pharisäer, Sadduzäer, Essener,
Heiden [Römer], sowie einige weitere) - und schon gar keine
weitere, die sich zum "Nazarener" bekannte - , genügte diese
öffentliche Spezifizierung als ausreichendes Unterscheidungsmerkmal.
Wurde die junge Kirche verfolgt, so geschah dies immer nur in ihren
maßgebenden Führern 18). Mit der Übersiedlung der Urgemeinde 66/67 ins
Ostjordanland löste sich das Problem der weiteren rechtlichen
Konstitution der Kirche in der Provinz Judäa von selbst.
b) Die Kirche im Römischen Reich bis zum Edikt von Mailand 313
Mit dem Eintritt in die heidnische Welt betritt die junge Kirche auch
die Sphäre des vom römischen Recht beherrschten Gebiets. Das römische
Recht kannte den Begriff der "Juristischen Person" 19) als einer durch
Abstraktion gebildeten Form einer Personenvereinigung, die Träger von
Rechten und Pflichten ist 20). Solche Verbände traten sowohl im
öffentlichen wie im privaten Bereich auf. Als Körperschaft
(universitas) galt zunächst der römische Staat selbst, dann die
kleineren Einheiten der municipia (Landstädte), coloniae (Siedlungen
für pensionierte Soldaten) und Latinergemeinden. "Die Körperschaft war
als Einheit von ihren Trägern unabhängig. [...] Klagen wurden daher für
und gegen die jeweiligen municipes als Einheiten geführt" 21) Neben den
öffentlichen Körperschaften gab es private oder halböffentliche
Körperschaften, die wir heute als "Vereine" kennzeichnen würden:
collegia (Innungen), sodalitates (Tischgesellschaften), sodalicia
(Kameradschaftsvereinen), corpora (Körperschaften). Zu ihnen zählten
Stadtviertel und Flurbezirke, Berufsverbände, kultische Vereinigungen,
Begräbnisvereine etc. Sie durften sich ihre Satzungen (leges collegii)
selbst geben. So ist die umfangreiche Satzung eines
Sterbeversicherungsvereins (Lex collegii lanuvini) mit erstaunlichen
Detailbestimmungen überliefert. In nachklassischer Zeit brachte das
Christentum neue 'Körperschaften' hervor.
Von hier aus war es kein großer Schritt, die einzelnen christlichen
Gemeinden (ecclesiae) nach der Anerkennung des Christentums als
universitates zu verstehen." 22) Als solche hatten sie zunächst vom
Staat nichts zu fürchten. "[D]ie Initiative zu den Repressalien gegen
die Christen [lag] zunächst nicht auf seiten der staatlichen Behörden;
es widersprach den Grundsätzen der römischen Religionspolitik, gegen
die Anhänger einer religiösen Bewegung allein wegen ihres Bekenntnisses
mit staatlichen Machtmitteln einzuschreiten. 23) Legt doch die
Tatsache, daß bei der ersten Christenverfolgung unter Nero nach dem
Brand Roms im Jahre 64 eine multitudo ingens 24) hingerichtet wurde,
den Schluß nahe, daß die römische Gemeinde relativ groß und folglich
auch organisiert gewesen sein muß. Spricht etwas gegen die Annahme, daß
der Gedanke des hl. Paulus, die Christen seien Glieder am Leibe Christi
25), auch sofort seine vom römische Recht vorgezeichnete Ausprägung
erfahren sollte ("corpus" = "Körperschaft")? Und genauso verhielt es
sich auch: die Gemeinden haben "sich gemäß dem römischen Vereinsrecht
als religiöse Organisationen konstituiert". 26) Ob diese Konstituierung
im Gegensatz zur römischen Rechtstendenz stand und somit rechtswidrig
war, ist in der Forschung strittig. "Fest steht jedoch, daß die
Christengemeinden in konzessionierten Vereinen organisiert waren und
damit auch nach römischem Recht Rechtspersönlichkeit erhielten. Sie
konnten daher auch eigenes Vermögen erwerben, das mitunter ganz
beträchtlich war. Auch konnten sie ihre religiösen Versammlungen
abhalten. Wohl aber handelte es sich nicht um eine Gesamtorganisation,
sondern um eine Anerkennung der einzelnen Gemeinden im weltlichen
Recht. Daß der römische Staat sich dieser Situation bewußt war und
diese Organisationsform eine allgemein bekannte war, geht aus den
Verfolgungsmaßnahmen, vor allem unter Valerian und Diokletian, hervor,
die nicht nur die religiöse Betätigung durch Zwangsmaßnahmen der
Regierung beschränkten, son-dern auch das Vermögen der Gemeinden
beschlagnahmten. 27)
Die Gemeinden wußten sich also sehr wohl zu helfen und zu organisieren.
28) Sie nutzten gegenüber dem römischen Staat rechtliche Möglichkeiten,
über die man heute nur staunen kann: "Sie konnten bewegliches und
unbewegliches Vermögen erwerben, besitzen und durch ihre Organe
verwalten und zur Erfüllung ihrer Aufgaben verwenden. Hierzu gehört
auch die Tätigkeit der sozialen Fürsorge, die ansonsten vorwiegend eine
öffentliche Angelegenheit war. Auch konnten sie vor dem weltlichen
Gericht ihr Recht geltend machen." 29) Die übliche Ansicht, die Kirche
habe in den ersten drei Jahrhunderten nur in den Katakomben 30) gelebt,
muß also ergänzt werden. Die regelmäßig sich wiederholenden
Verfolgungswellen 31) waren zunächst Willkürakte der Kaiser, die der
geltenden Rechtslage widersprachen; seit Trajan (98-117) stand das
Christsein gewohnheitsrechtlich unter Strafe 32), mit Decius (249-251)
trat "[a]n die Stelle der Verfolgung der Christen durch Reskripte [...]
die Verfolgung durch Edikte 33). Nur aus der "ungleichen Anwendung des
Gesetzes beziehungsweise der politischen Situation", vor allem durch
die "Duldung der Verwaltungsbeamten" 34) kann das seltsame
Nebeneinander von Christenverfolgung und vereinsrechtlicher
Organisation der Gemeinden erklärt werden. An eine andere Rechtsform
für die Gemeinden war allerdings nicht zu denken, da die Christen das
Kaiseropfer (Verehrung des Kaisers als "Gott" durch Streuen von
Weihrauch) ablehnen mußten, was aber Voraussetzung für die staatliche
Anerkennung gewesen wäre 35). Erst die neue, im Gefolge des Edikts von
Kaiser Galerius vom 30. April 311 und der Mailänder Konvention von 313
zugesicherte Freiheit änderte diese Sachlage: die Kirche wurde "als
persona Christianorum zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts
erhoben, was ihr nicht nur die Gleichstellung mit den öffentlichen
nichtchristlichen Religionsgesellschaften brachte, sondern ihr auch
eine erhöhte Stellung als Rechtspersönlichkeit einräumte". 36) Die bei
diesem Anlaß durchgeführte Rückgabe des in der Diokletianischen
Verfolgung beschlagnahmten Vermögens (restitutio in integrum) an die
römische Gemeinde bestätigt noch einmal, daß sie schon vorher als
Rechtsperson bestanden haben mußte. 37)
c) Die weitere Entwicklung bis zur Neuzeit
Die Entwicklung der Rechtsformen der Kirche kann für die Folgezeit
abgekürzt dargestellt werden, da sie im wesentlichen bekannt ist.
In der Spätantike erlangte die Kirche die volle rechtliche Freiheit
erst im Jahre 380 mit dem Verbot aller heidnische Kulte; aus der
geduldeten Kirche wurde die Reichskirche, das Christentum zur
Staatsreligion erhoben. 38) Allerdings sah sich der Kaiser immer als
Oberhaupt der Kirche und berechtigt, in sie hineinzuregieren. An dieser
Situation änderte sich auch unter den Herrschern des Merowingerreich
nicht viel.
Im Byzantinischen Reich ist die Entwicklung mit dem Terminus
Cäsaropapismus ungenügend beschrieben. "[Im] theologischen und
staatlichen Denken der Byzantiner [sind] Staat und Kirche keine
getrennten oder auch nur trennbaren Institutionen [...] So ist die Idee
einer Zweigewaltenlehre in Byzanz nicht denkbar [...]". Folglich gibt
es auch das Problem der Vorherrschaft zwischen Kaiser und Kirche nicht,
"weil ein solches immer die Konkurrenz zweier selbständiger
Institutionen voraus-setzt, von denen die eine die andere in ihrer
Selbständigkeit nicht gelten lassen will" 39). Diese Situation
war - mit allen Vor- und Nachteilen - für die
Westkirche bekanntlich nicht tragbar. Aber die Vorherrschaft der Kaiser
darf nicht übertrieben werden: "[Es läßt sich] vielleicht sogar sagen,
daß die frühbyzantinischen Kaiser in die Verhältnisse der Kirche
taktisch zurückhaltender und mitunter auch gehemmter eingegriffen haben
als die Kaiser der mittleren und späteren Zeit [...] Je mehr das Reich
in sich zusammensank, desto mehr wurde sich die Kirche bewußt, wieviel
sie dem Staat verdankte, und desto entschiedener sprach sie sich für
die unlösliche Verbindung zwischen Staat und Kirche aus" 40).
Mit der Wechsel der Päpste von den byzantinischen Kaisern zu den
Franken gegen Ende des 8. Jahrhunderts und der Begründung des
Frankenreiches unter Karl d. Großen, später der Gründung des Hl.
Römischen Reiches unter Kaiser Otto d. Großen war dem Staat und seinem
obersten Repräsentanten ein neues Aufgabenfeld zugewiesen. Die Kirche
wird im Staat nicht einfach nur geduldet und mehr oder weniger
privilegiert, sondern der Staat erhält eine Funktion für die Kirche,
ohne mit der Kirche identisch zu werden. Er wird weltliche Schutzmacht
der Kirche, der Kaiser Protector Ecclesiae. Allerdings hat sich die
Kirche in den ersten Jahrhunderten der Reichsgeschichte von staatlicher
Bevormundung in ihrem Kernbereich befreien müssen 41), welcher Vorgang
mit der Cluniazensischen Reformbewegung initiiert wurde und mit Gregor
VII. abschloß.
Die zentrale Idee des Hl. Römischen Reiches, Schutzmacht der Kirche zu
sein, hat das Abendland bis zum Untergang dieses Gebildes 1806
getragen. In ihr brauchte die Kirche keine besondere Rechtsform. "Im
Mittelalter bildete die römische Kirche eine mächtige allumfassende
Rechtsgemeinschaft, die das ganze Abendland umspannte und im deutschen
Rechtsleben einen beherrschenden Platz einnahm." 42) Der erste
gewaltige Riß in dieses großartige Rechtsgebilde trat ein, als im
Augsburger Religionsfrieden 1555 die konfessionelle Spaltung
Deutschlands auch rechtlich zementiert wurde und die Lutheraner als
zweite Konfession, nach dem Westfälischen Frieden 1648 die Reformierten
als dritte Konfession gleichberechtigt wurden. Für welche "Kirche"
stand jetzt das Hl. Reich als Schutzmacht? Immerhin war man noch der
Auffassung, das Reich schütze die "eine" Kirche, die jetzt eben in
"drei Konfessionen" bestehe.
Nach dem Ende des Hl. Römisches Reiches 1806 verfiel der Rechtsschutz
für die Kirche zusehends. Übelstes Vorbild der Entwicklung dieser
Epoche war die Formulierung im Konkordat von Fontainebleau 1801
zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl, wo Napoleon behaupten ließ,
die katholische Religion sei "die Religion der Mehrheit der Franzosen"
(statt: die Staatsreligion). Es bestanden neben der Kirche die anderen
Konfessionen weiter. So trat die Kirche neben anderen "Kirchen" auf und
wurde infolge der erstarkten Staatssouveränität zusätzlich mit einem
Staat konfrontiert, der sie nicht nur nicht unterstützte, sondern
seinerseits versuchte, sie zu unterjochen und schlußendlich in ein von
ihm vorgegebenes Rechtsmodell zu pressen. Es entstand, nach
Zwischenstationen, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Idee
der "Körperschaft des öffentlichen Rechts" als "Personalkörperschaft
auf nationaler Ebene. Da die lutherische und reformierte Konfession aus
Paritätsgründen im Hl. Römischen Reich die gleichen Rechte besaßen wie
die katholische Kirche, wurden auch sie zu "Körperschaften des
öffentlichen Rechts".
Diese Konstruktion wurde in der Weimarer Verfassung von 1919
festgeschrieben 43) und von der Bundesrepublik Deutschland bei ihrer
Gründung unter ausdrücklicher Berufung auf die entsprechenden
Paragraphen der Weimarer Verfassung ins Grundgesetz übernommen. 44) Sie
gilt bis heute.
d) Die Rechtslage der katholischen Kirche in Deutschland seit dem Zusammenbruch 1958 ff.
Mit der Verkündigung der "Konzilsbeschlüsse" in den Diözesen
Deutschlands oder deren stillschweigender Billigung nach erfolgter
Verkündigung ist der Abfall fast des gesamten Klerus in Deutschland
nach "Vatikanum II" manifest. 45) Bürgerlich-rechtlich tangierte er
jedoch die Körperschaft "Römisch-katholische Kirche" nicht. Die in den
60er Jahren entstandene neue Religionsorganisation nennt sich aufgrund
der lückenlosen personellen Identität ihrer Mitglieder weiterhin
"Römisch-katholische Kirche", benutzt die Rechtsform einer
"Körperschaft des öffentlichen Rechts" und wird auch im bürgerlichen
Rechtsverkehr so behandelt 46). Da die meisten Laien in diesen Abfall
mitgerissen wurden, hat die von Jesus Christus gegründete Kirche
weitestgehend ihre Sichtbarkeit verloren. "Römisch-katholische Kirche"
als Heilsinstitution und "Römisch-katholische Kirche" als
Rechtsgemeinschaft sind seitdem nicht mehr identisch.
e) Zusammenfassung des geschichtlichen Überblicks
Die Kirche hat - das ergab der historische Überblick
- zu allen Zeiten ihres Bestehens darum gerungen, sich nicht nur
als Heilsinstitution, sondern auch als Sozial-und Rechtsgemeinschaft in
der sie umgebenenden Gesellschaft darzustellen und sich sowohl vom
Staat als auch, falls erforderlich, von konkurrierenden
Religionsgemeinschaften hinreichend abzugrenzen. Sie hat dabei die
angebotenen rechtlichen Mittel ungeachtet aller Mühen, die damit
verbunden waren, ausgenutzt. Ob sie sich dabei im einen oder anderen
Fall zu sehr an den Staat angebiedert hatte (Staatskirchentum) oder ihm
gar unterworfen war (Cäsaropapismus), muß einer gesonderten
Untersuchung vorbehalten bleiben. Die Kirche hat aber auch anmaßende
Angriffe des Staates vorbildlich abzuwehren gewußt und dabei unter
scheinbarer Vernachlässigung der "Pastoral" ihren zurecht behaupteten
prinzipiellen Vorrang vor dem Staat, der bis heute unübertroffen in der
Bulle "Unam Sanctam" ausformuliert ist 47), wahren können.
II. Reorganisation der römisch-katholischen Kirche in Deutschland
a) Die Reorganisation der römisch-katholischen Kirche ist gefordert
Die Kirche ist die von Jesus Christus gestiftete einzige Mittlerin des
Heiles. Jeder Mensch soll um seiner ewigen Seligkeit willen in sie
eintreten. Das bedeutet aber umgekehrt, daß jeder Mensch eindeutig
erkennen können muß, wo die Kirche, in die er eintreten soll, konkret
zu finden ist. Die Kirche soll sich also in der Gesellschaft sichtbar
darstellen, wenn sie ihrem Heilsauftrag gerecht werden will.
Seit dem relativen Verlust der Sichtbarkeit der Kirche durch den großen
Abfall sind in der Restkirche von den verantwortlichen Klerikern wenig
Anstrengungen unternommen worden, diesen Zustand zu ändern. In der
Praxis sieht das deshalb so aus: wenn heute ein rechtgläubiger Katholik
gefragt wird: "Zu welcher Religionsgemeinschaft gehörst Du?"
- was antwortet er dann? Wenn ein evangelischer Christ, der
beispielsweise der EKD angehört, katholisch werden will, wer nimmt ihn
dann in die katholische Kirche dergestalt auf, daß das auch bürgerliche
Rechtsfolgen (z. B. in den Personenstandsbüchern) zeitigt? Wo ist
eigentlich die von Jesus Christus gestiftete Kirche als allgemein
anerkannte Institution?
Mit "katholisch" bzw. "römisch-katholisch" wird heute ein
Religionsbekenntnis bezeichnet, das nicht das unsere ist 48); mit
"Katholische Kirche" bzw. "Römisch-katholische Kirche" ist in der
Sprache unserer Gerichte und Behörden, ja der gesamten Öffentlichkeit
die "Amtskirche" gemeint, der wir nicht angehören wollen. 49)
Um uns aber von dieser "Amtskirche" und allen anderen sektiererischen
Gruppierungen unterscheidbar zu machen, sollen 50) wir uns also
rechtlich-organisatorisch abgrenzen, und zwar auf Ebene der
Bundesrepublik Deutschland. 51)
Daß wir uns schlechterdings abgrenzen sollen, liegt also im
verbindlichen Willen Christi beschlossen; wie wir uns konkret abgrenzen
können, ist in den Gesetzen unserer Rechtsordnung vorgegeben; ob wir
uns überhaupt abgrenzen werden, ist allein unserer Eigeninitiative
überlassen.
b) Rechtliche Grundlagen dieser Reorganisation
Die Reorganisation kann nur auf der Grundlage der bestehenden
staatlichen Ordnung erfolgen. Mag diese sein, wie sie will: eine
Diskussion über Alternativen ist zwecklos und wird hier nicht geführt.
Das Gesamt der Beziehungen zwischen Staat und Kirche bzw.
Religionsgemeinschaften wird in Deutschland als Staatskirchenrecht
bezeichnet. 52) Dieses benennt als Rechtsquellen das Grundgesetz (Art.
4 und 140 mit Ergänzungen in den Art. 3, 7 und 141), die
Länderverfassungen, das Vertragskirchenrecht und Regelungen der
einfachen Gesetzgebung. 53)
Da die Restitution auf Ebene der Bundesrepublik Deutschland erfolgen
soll, können Besonderheiten der Länderverfassungen hier
unberücksichtigt bleiben.
Vertragskirchenrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit der
katholischen Kirche heißen Konkordate. Bei diesen 54) war der Hl. Stuhl
der Vertragspartner. Da dieser aber nicht mehr die katholische Kirche
als Heilsinstitution vertritt 55), scheiden Konkordate trotz ihres
Weitergeltens ebenfalls aus. Regelungen der einfachen Gesetzgebung
treten nur noch im Bereich des Kirchenaustritts- und
Kirchensteuerrechts auf. Auch sie spielen bei der rechtlichen
Restitution zunächst keine Rolle.
Es verbleiben also die Grundlagen des Grundgesetzes. Welche Aussagen
werden dort gemacht, und was wird darunter verstanden? Das Grundgesetz
(GG) garantiert:
Freiheit des Glaubens, des Gewissens, des religiösen und
weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 Abs. 1 GG); Freiheit der
ungestörten Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG); Trennung von Staat
und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art 137 I WRV); Freiheit der Vereinigung
von Religionsgesellschaften (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 II WRV);
kirchliches Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 III
WRV); neuzugründende Religionsgemeinschaften werden nach dem
bürgerlichen Recht gegründet (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 IV WRV);
Religionsgemeinschaften, die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes
Körperschaften des öffentlichen Rechts waren, bleiben solche. Andere
können dies auf Antrag werden (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 V WRV);
Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des Öffentlichen Rechts
sind, dürfen Kirchensteuern erheben (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 VI
WRV); die aus der Säkularisation bestehende Zahlungen an die
Religionsgesellschaften sollen abgelöst werden (Art. 140 GG i.V.m. Art.
138 I WRV); das Eigentumsrecht der Religionsgemeinschaften wird
anerkannt (Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 II WRV); Sonntage und staatlich
anerkannte Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der
seelischen Erhebung geschützt (Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV); in
Heer, Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichen
Anstalten dürfen die Religionsgemeinschaften Gottesdienst und Seelsorge
durch-führen. (Art. 140 i.V.m. Art. 141 WRV)
Diese Rechte und Freiheiten sind liberaler Herkunft und in
systematischer Hinsicht eine äußerst zweischneidige Sache. 56) Immerhin
sind sie eine Basis, auf der das Wirken der Kirche möglich ist.
c) Erläuterung der möglichen Rechtsformen
Da die Kirche nicht einfach nur eine Bekenntnisvereinigung von
Individuen ist ("Kirche sind wir alle"), sondern als mystischer Leib
Christi eine überindividuelle Heilsinstitution, soll dieser ihr
Charakter seinen entsprechenden Ausdruck finden: die Kirche soll sich
neben ihrer Konstitution als Heilsinstitution auch als eigenständiges
Rechtssubjekt darstellen. Zu dieser Darstellung ist sie auf die
Rechtsinstrumentarien angewiesen, die die jeweilige staatliche Ordnung
bietet. 57) Zur Darstellung als selbständiges, überindividuelles
Rechtssubjekt eignet sich vorzüglich die Rechtsgestalt der
"Juristischen Person". Dies ist in der Bundesrepublik Deutschland
privatrechtlich und öffentlich-rechtlich möglich. Nur eine
Religionsgemeinschaft, die auch juristische Person ist, hat Rechte und
Pflichten, kann Namens- und Ehrenschutz beanspruchen, ist grundbuch-,
partei- und vermögensfähig. Vereingungen, die keine juristischen
Personen sind (nicht-eingetragener Verein, OHG, KG, BGB-Gesellschaft),
scheiden daher aus. Von den Vereinigungen, die juristische Personen
sind, hat das Grundgesetz einzig die (Personal)-Körperschaft des
öffentlichen Rechts sowie den Ide-alverein des privaten Rechts als
Rechtsform zur Organisation einer Religionsgemeinschaft vorgesehen. 58)
Damit sind alle anderen Formen der juristischen Person des öffentlichen
(Anstalt, Stiftung) oder privaten Rechts (AG, GmbH, Wirtschaftsverein)
ausgeschlossen.
d) Reorganisation der römisch-katholischen Kirche als "Körperschaft des öffentlichen Rechts"
Die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden
Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts 59)
sind, haben diesen Status entweder kraft Herkunft bei Verabschiedung
der Weimarer Verfassung am 11. August 1919 bereits gehabt ("geborene")
60) oder danach durch Verleihung erhalten ("gekorene") 61). Sie haben
Hoheitsbefugnisse wie z.B. Dienstherrenfähigkeit (also das Recht,
Dienstverhältnisse öffentlich-rechtlicher Natur zu begründen, die nicht
dem allgemeinen Arbeitsrecht und der Sozialversicherungspflicht
unterliegen), Steuererhebungsrecht (Kirchensteuer) etc. Sie wirken
parallel zum Staat, haben den Charakter einer die Realität einer
freiheitlichen Demokratie stützenden Ordnungsmacht, die selbstlos das
Gemeinwohl fördert. Es wird erwartet, daß sie mit dem
freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat kooperieren. 62)
Ist eine Reorganisation der katholischen Kirche als "Körperschaft des
öffentlichen Rechts" möglich und, wenn ja, ist der Körperschaftsstatus
überhaupt ein erstrebenswertes Ziel?
Da die zu restituierende Kirche noch keine Körperschaft ist, müßte ihr
dieser Status erst ver-liehen werden. Der Staat knüpft an diese
Verleihung hohe Bedingungen: Er erwartet ein Mindestmaß an Amtlichkeit,
eine grundgesetzkonforme Wahrnehmung der Hoheitsrechte, die
Anerkenntnis der Bindung ihrer Organisations-, Dienstherren-und
Rechtsetzungsgewalt an Art. 140 GG sowie die Akzeptanz der Prinzipien
der Neutralität, Säkularität, Parität und Toleranz. Die Vereinigung muß
die Gewähr der Dauer bieten, d.h. die Religionsgemeinschaft muß aus dem
Gründungsstadium deutlich herausgewachsen sein. Es muß ein stetiger
Rechtsträger mit klarer Organistionsform, Willensbil-dungsverfahren und
Organen vorhanden sein, eine Verfassung bzw. Verwaltungsgemeinschaft
mit nach außen vertretungsberechtigten Organen existieren und eine
hinreichende Finanzausstattung vorhanden sein. Die
Religionsgemeinschaft muß bereits genügend lange bestehen (30-50 Jahre
bzw. ein bis zwei Generationen). Sie muß ein intensives religiöses
Leben pflegen, das sich in regelmäßigen Zusammenkünften der Mitglieder
und in einem Mindestmaß an lokaler Gemeinsamkeit zeigt sowie eine
angemessene Versorgung mit gottesdienstlichen und seelsorglichen
Diensten gewährleisten, im öffentlichen Leben eine gewisse Bedeutung
spielen. Die Alterszusammensetzung sowie die örtliche Zugehörigkeit der
Mitglieder muß eine gewisse Stetigkeit erwarten lassen. Über Erwerb und
Verlust der Mitgliedschaft müssen klare Regeln vorliegen. Die
Verleihungspraxis der Länder verlangt, daß mindestens jeder tausendste
Einwohner des Bundeslandes Mitglied der Religionsgemeinschaft ist, in
dem der Status als Körperschaft beantragt wird. Die Verleihung erfolgt
nur auf Antrag, in Bayern durch Entscheidung des Kultusministers.
Besonders die Forderung nach einem genügenden Zeitraum des Bestehens
sowie die Mitgliedschaft von 1 ‰ der Bevölkerung des Bundeslandes, in
dem die Verleihung beantragt wird, sind Voraussetzungen, die die zu
restituierende Kirche - vorsichtig formuliert -
noch in keinem deut-schen Bundesland erfüllen könnte. Eine Bedeutung im
öffentlichen Leben kann sie in der Tat nicht beanspruchen. Die sich
daraus ergebenden Konsequenzen werden auch in der Literatur so gesehen:
"Eine Religionsgemeinschaft, die in Wirklichkeit ihre Angehörigen nicht
zu regelmäßigen Zusammenkünften zusammenführen kann und nicht über das
Mindestmaß an lokaler Gemeindeorganisation verfügt und angemessene
Versorgung mit gottesdienstlichen und seelsorgerlichen Diensten nicht
gewährt, kann schwerlich die erforderliche Bedeutung im öffentlichen
Leben dokumentieren." 63)
Außerdem erfolgt die Verleihung nur an einen rechtsfähigen
eingetragenen Verein mittels eines statusbegründenden Verwaltungsaktes,
indem die Vereinigung aus dem Vereinsregister gelöscht wird und als
Körperschaft des öffentlichen Rechts weiterbesteht.
Umgekehrt ist zu fragen, ob sich die Kirche überhaupt noch so eng an
die Bundesrepublik Deutschland anlehnen soll, ja darf. Mit der Freigabe
von Abtreibung und Pornographie sind wesentliche Pfeiler der
Rechtstaatlichkeit eingestürzt, wobei eine Änderung nicht in Sicht ist.
Die Anforderungen, die freiheitliche Demokratie zu stützen (!) und die
Prinzipien (!) der Neutralität, Säkularität, Parität und Toleranz
anzuerkennen, sind teilweise ideologisch besetzte Positionen
atheistischer Herkunft. Man denke nur daran, wie bereitwillig die
Kirche selbst zu rechtgläubigen Zeiten in der Bundesrepublik
Deutschland um des lieben Friedens willen die unverschämte staatliche
Anmaßung der Zwangszivilehe samt Voraustrauungsverbot oder die
Zwangsvereidigung ihrer Diözesanbischöfe auf das Grundgesetz in
Gegenwart des jeweiligen Ministerpräsidenten akzeptiert hatte. 64)
Die Frage muß verneint werden. Eine Kirche, die sich so stark an den
Staat anlehnt, wie das beim Körperschaftsinstrumentarium zwangsläufig
der Fall ist, zieht den Staat niemals nach oben, wohl aber der Staat
die Kirche nach unten 65). Das muß um der Freiheit der Kirche willen
vermieden werden.
Es ergibt sich, daß die Reorganisation der katholischen Kirche als
"Körperschaft des öffentlichen Rechts" unter den gegenwärtigen
Bedingungen nicht möglich ist, andererseits aus berechtigten
Vorbehalten prinzipieller Art auch nicht erstrebt werden soll.
e) Reorganisation der römisch-katholischen Kirche als "Eingetragener Verein"
Die Reorganisation der katholischen Kirche auf der Basis des
Vereinsrechts als "Eingetragener Verein" erweist sich als der einzige
Lösungsweg des gestellten Problems. 66)
In der Bundesrepublik Deutschland sind eine Reihe von bekannten
Religionsgemeinschaften christlicher oder nichtchristlicher Art
privatrechtlich organisiert. 67) Soll die katholische Kirche als
juristische Person in der Öffentlichkeit wieder in Erscheinung treten,
muß sie sich ebenso wie diese privatrechtlich reorganisieren. -
Folgende Überlegungen greifen weit vor. Trotzdem ist die Aufgabe der
Restitution rechtens da und soll in ihrer Zielrichtung ausformuliert
werden.
Wie eine Vereinsgründung generell abläuft, wie eine Satzung auszusehen
hat, wie die Organe eines Vereins konstituiert werden, kann der
einschlägigen Literatur 68) entnommen werden. Ich weise nur auf
Besonderheiten unserer Situation hin.
Die geforderten sieben Gründungsmitglieder müssen nicht unbedingt
physische Personen sein, es können auch juristische Personen (z.B.
bestehende eingetragene Meßzentrumsträgervereine) sein. Besondere
Aufmerksamkeit verdient der Name. Die Bezeichnungen "Katholische
Kirche" bzw. "Römisch-katholische Kirche" scheiden aus 69). Der Name
muß dogmatisch einwandfrei 70) sein und sollte den Bestandteil "Kirche"
beinhalten.71)
Als Vereinszweck(e) könnte(n) benannt werden: Fortsetzung der
römisch-katholischen Kirche 72) und Vorbereitung ihrer vollständigen,
weltweiten Restitution als Heils- und Rechtsinstanz. Pflege und
Förderung des römisch-katholischen Glaubens durch regelmäßige
Gottesdienste in den Kirchengemeinden etc.73)
Ein gesonderter Abschnitt müßte einen internen Querverweis auf die
volle Geltung des kirchlichen Rechts enthalten. Als Legitimation der
Vereinstätigkeit kann die Declaratio von Mgr. Thuc angeführt werden.
Der Verein führt allerdings nur Rechtshandlungen im Außenbereich durch,
durch die interne kirchenrechtliche Vorgänge nicht direkt betroffen
sind.
Der Verein hat als Kirche in der Öffentlichkeit aufzutreten. Dazu
braucht er eine Schnittstelle, durch die er zumindest
Nachrichtendienste und Presse informiert (von Rundfunk und Fernsehen
sehe ich mal ab). Auch das Internet bietet sich an. Dazu ist aber eine
ganz präzis ausgearbeitete Positionsbestimmung erforderlich, die
wesentlich über das hinausgehen muß, was zuständige Kleriker bisher zu
diesem Thema geliefert (besser: nicht geliefert) haben. Niemand nimmt
uns ernst, wenn wir ausschließlich "den Willen Gottes erfüllen" und
"auf den Herrgott vertrauen".
Die Ausarbeitung soll hier enden. Wenn es mir gelungen ist,
aufzuzeigen, daß das öffentliche, rechtlich fixierbare Auftreten der
Kirche eine strikte Forderung ist, die mittelbar aus ihrem Heilsauftrag
folgt - welcher Forderung sie in der Geschichte unter den verschiedenen
Staats- und Gesellschaftsformen immer nachgekommen ist -, dann müßte
klar sein, wohin die Anstrengungen der nächsten Jahre, vor allem von
seiten des Klerus, zu laufen haben, wenn unsere Bemühungen nicht völlig
ins Leere gehen sollen: Konzentration der Kräfte auf den Wiederaufbau
der Kirche als Heilsinstitution und Rechtsgemeinschaft, Präzisierung
der dogmatischen und rechtlichen Position, ehrlich-demütiges Bemühen
und effiziente Aufbauleistung. Oder wie es in einem schönen Kirchenlied
heißt:
"Wer nicht gekämpft, trägt auch die Kron' des ewigen Lebens
nicht davon."
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