DER HL. NORBERT
von
Eugen Golla
Zwischen 1080 und 1085 (?) wurde Norbert in Xanten geboren. Er
entstammt einem vornehmen Geschlecht: sein Vater Heribert von Gennep
soll ein Verwandter des fränkischen Kaiserhauses gewesen sein. Da ihm
als Zweitgeborenem das väterliche Erbe nicht zustand, bestimmten ihn
seine Eltern für die geistliche Laufbahn - ohne Rücksicht, ob er
hierzu berufen war oder nicht. Ein solches Vorgehen wurde in den
Adelsgeschlechtern des Deutschen Reiches (bis zur Zerstörung der seit
dem Mittelalter bestehenden kirchlichen Strukturen) leider häufig
praktiziert. Dem entsprechend - d.h. ohne eigentliche Berufung - führte
Norbert in seiner Jugend ein wenig religiös-klerikal ausgerichtetes
Leben - trotz eines Benefiziums, einem Kanonikat in seiner Heimatstadt
und der Weihe zum Subdiakon. Dieses wurde auch nicht gerade
gefördert, als er eine zeitlang am Hofe des liberal eingestellten
Erzbischofs Friedrichs von Köln weilte. Ohne geistliche Verpflichtungen
und frei von materiellen Sorgen begleitete er 1111 als Hofkaplan Kaiser
Heinrich V. nach Rom, wo dieser Papst Paschalis II. gefangennahm, um
ihm die Krönung zum Kaiser und das Investiturrecht, womit die Belehnung
des Bischofs mit Ring und Stab verbunden war, abzuzwingen.
Vielleicht war der junge Kleriker über dieses rücksichtslose,
demütigende und skandalöse Vorgehen der weltlichen Macht gegenüber der
geistlichen erschüttert, aber sein "Damaskuserlebnis" holte ihn erst
einige Jahre später im westfälischen Wrede ein, als er unterwegs mit
seinem Pferd von einem furchtbaren Gewitter überrascht wurde und in
seiner unmittelbaren Nähe der Blitz einschlug und er um sein Leben
bangen mußte. Der Nichtigkeit seines bisherigen Lebens bewußt, kehrte
Norbert umgehend nach Xanten zurück, um fortan ein neues Leben in
strenger Askese in einer kleinen Zelle zu beginnen, welche er nur
verließ, um seinen geistlichen Ratgeber, den Abt des Klosters von
Siegburg, zu besuchen.
Im Jahre 1115 erhielt er unmittelbar nacheinander in Köln die
Diakonats- und die Priesterweihe. Darauf legte er, der bisher noch
seine teuren höfischen Kleider trug, unter den seit seiner Bekehrung
zwar ein Bußgürtel verborgen war, ein schlichtes Gewand aus Schafswolle
an. Seine Forderung, daß nun auch die Kanoniker seines Stiftes ein
ähnlich entsagungsvolles Leben wie er führen sollten, brachte viele
gegen ihn auf. Im Jahre 1118 wurde er sogar auf einer Synode zu
Fritzlar vor dem Legaten angeklagt, ohne Auftrag zu predigen, den
Klerus zu schmähen und entgegen den Gewohnhei-ten seines Standes und
seiner Herkunft einen gewöhnlichen Schafspelz zu tragen. Ihm wurde auch
vorgeworfen, als Mönch zu leben, ohne einer Klostergemeinschaft
anzugehören. Norbert konnte sich zwar rechtfertigen, faßte aber den
festen Entschluß, nunmehr auch auf seine Pfründen und sämtlichen Besitz
zu verzichten. In völliger Armut machte er sich, begleitet von zwei
Dienern, als Wanderprediger auf den Weg, der ihn über Belgien nach
Frankreicht führte. Der Bischof der nordfranzösischen Stadt Laon lernte
ihn schätzen und bot ihm an, das Klosterleben einer in seiner Diözese
befindliche Abtei zu reformieren.
Da sich die Mönche jedoch weigerten, nach Norberts strengen
Vorstellungen zu leben, riet ihm der Bischof, den Versuch zu wagen,
eine eigene Klostergemeinschaft zu gründen. Schließlich fand Norbert in
einem unweit von Laon gelegenen bewaldeten und einsam gelegenen Tal,
das Premontré genannt wurde, einen passenden Ort, wo er mit seinen
dreizehn Gefährten ein Kloster errichtete und eine Mönchsgemeinschaft
nach der Regel des hl. Augustinus gründete. (Das Tal sollte später dem
Orden seinen Namen geben.) Durch seine radikale Armut hatte diese
Communität viel Ähnlichkeit mit dem kurz vorher vom hl. Bernhard
gegründeten Zisterzienser-Orden.
Jeweils im Frühjahr, wenn es wieder wärmer wurde, pflegte Norbert seine
Zelle zu verlassen. Die Leitung überließ er dann seinem treuesten
Mitbruder namens Hugo, der ehemals Kaplan des Bischofs von Cambray war,
um weiter als Wanderprediger zu wirken und neue Gemeinschaften zu
gründen, deren Anzahl erstaunlich rasch wuchs. Etwa hundert Jahre
später - z.Zt. seiner größten Blüte - besaß der Prämonstratenser-Orden
etwa tausend Klöster. So gewann Norbert in Köln u.a. den Grafen
Gottfried von Kappenberg. Dieser junge Adlige baute seine in Westfalen
gelegene Burg in ein Prämonstratenser-Kloster um, in das nicht nur er,
sondern später auch seine Frau und zwei seiner Schwestern eintraten.
Die Bekehrung Antwerpens kam einem Wunder gleich, wo durch
sektiererische Aktivitäten gegen das Priestertum und die Sakramente
verheerender Schaden unter den Gläubigen angerichtet worden war.
Im Jahre 1126 pilgerte Norbert nach Rom, um vom Papst die Bestätigung
seines Ordens zu erhalten. Aber es war ihm nicht vergönnt, bis an sein
Lebensende seiner Gründung vorzustehen, denn im darauffolgenden Jahre
wurde er auf dem in Speyer abgehaltenen Reichstag trotz seines
Sträubens zum Erzbischof von Magdeburg ernannt. In abgetragenem Gewand
und barfuß betrat der neue Oberhirte Magdeburg. Wie es heißt, soll der
Pförtner ihm deshalb den Eintritt in den bischöflichen Palast verwehrt
und ihn aufgefordert haben, sich ins Armenhaus zu begeben. Die
Verwaltung dieser großen Diözese an der Grenze zu den Slawenreichen
östlich der Elbe benötigte seine ganze Kraft, zumal im Deutschen Reiche
der Bischof als hoher Feudalherr auch politische Aufgaben zu erfüllen
hatte.
Wie nicht anders zu erwarten, führte Erzbischof Norbert eine strenge
Regiment. Er bemühte sich mit Erfolg, daß kirchliches Eigentum, welches
unrechtgemäß von Laien in Besitz genommen worden war, zurückerstattet
wurde, sondern er scheute sich auch nicht, Geistliche, welche ihre
Pflichten nicht erfüllten oder ein unsittliches Leben führten, streng
zu bestrafen oder abzusetzen. Dadurch machte er sich viele Feinde, die
nicht davor zurückschreckten, einen Aufstand gegen ihn zu entfachen und
sogar Mörder zu dingen.
Sein Versuch den Prämonstratenserorden in seiner Diözese einzusetzen,
war von Erfolg gekrönt: er übergab ihm die Verwaltung des Hospitals,
überließ ihm die Kollegiatkirche St. Martin in Magde-burg und betreute
sie mit der Missionierung der heidnischen Wenden im nördlichen Teil des
Erzbistums, wobei sein Orden auch durch die Trockenlegung von Sümpfen
und das Roden von Wäldern für die Kultivierung des Landes
vorbildlich wirkte.
Mit dem Wormser Konkordat von 1122 war zwar der Feiheitskampf der
Kirche wenigstens eine zeitlang abgeschlossen, aber die Ewige Stadt kam
nicht zur Ruhe, denn 1130 erbrachte das einberufene Konklave mit seiner
Doppelwahl Unheil über die Kirche. Ein Teil der Wähler entschied sich
bei der Papstwahl für den als rechtmäßig geltenden Papst Innozenz II.,
während andere den sehr beliebten, aus dem jüdischen Geschlecht der
Pierleoni stammenden Anaklet II. begünstigten. Da Papst Innonzenz aus
Rom vertrieben worden war, entschloß sich Kaiser Lothar, ihn wieder auf
die Kathedra Petri zu setzen. Norbert, der zum Erzkanzler Italiens
ernannt worden war, mußte den Kaiser auf diesem Feldzug begleiten.
Dieser ließ sich inzwischen in der Lateran-Basilika am 25. Mai 1133
krönen, da der Petersdom noch von Anaklets Truppen besetzt war.
Als Norbert wieder nach Magdeburg zurückkehrte, war er wahrscheinlich
bereits krank. Mit letzter Kraft vermochte er 1134 noch das Osterfest
zu feiern; aber wenige Wochen später - am 6. Juni - verstarb er nach
fast zwanzig Jahren strengster Askese und eifrigstem Wirken zur Ehre
Gottes. Seine Heiligsprechung nahm Gregor XIII. 1582 vor, sein Festtag
ist der 6. Juni.
Es ist den Bemühungen des Abtes der brühmten Prämonstratenserabtei
Strahov in Prag zu verdanken, daß des Heiligen sterbliche Überreste
seit 1627 in einem katholischen Gotteshaus aufbewahrt sind. In Stadlers
Heiligenlexikon ist zu lesen, daß die protestantischen Bürger
Magdeburgs zwar damit einverstanden ware, daß die Reliquien nach Prag
übertragen wurden, die protestantischen Domherren dies aber durch
allerlei Ränke zu verhindern suchten, "weil sie sich dadurch am
Götzendienste anderer mitschuldig machten."
* * *
Quellenangabe:
Artikel: "Norbert" in Manns, Peter: "Die Heiligen", Mainz 1975. – "Vies des Saint", Bd. 6, Paris 1948.
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet. Ordnung", Bd. 4, Augsburg 1875.
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