Jesus Christus - der deutschen Medien interessantester „Fall"
von
Werner Olles
In seinem berühmten Essay "Anschwellender Bocksgesang" bezeichnete der
Dramatiker Botho Strauß das Fernsehen seinerzeit wörtlich als "Kloake
der Nation". Sieht man sich beispielsweise die nachmittäglichen
sogenannten "Talk"- oder "Gerichtsshows" an, in denen offensichtlich
psychopathologische Figuren ihre geistigen Auswürfe einem je nach
Geschmack amüsiertem oder angeekeltem Pöbel-Publikum zum Fraß
vorwerfen, kann man dieses harsche Urteil nur bestätigen. Das alles ist
eigentlich schon übel genug, doch richtig schlimm wird es dann, wenn
sich das Fernsehen "seriös" und "wissenschaftlich neutral" gibt. Dann
kommen nämlich Produkte heraus, wie die jetzt zu Ende gegangene
ZDF-Doku-Serie "Terra X".
So geschehen am 22. Januar in der "Terra X"-Sendung "Der Fall Jesus -
Der Galiläer im Visier der Forschung". Gewiß erwartet man als immerhin
Zwangsgebühren zahlender Zuschauer keinen religiösen Erbauungsfilm,
doch was einem da als Mixtur aus esoterischen,
pseudowissenschaftlichen, muslimischen und fernöstlichen Versatzstücken
- garniert mit den Sprechblasen angeblich christlicher Theologen -
zugemutet wurde, war wirklich echt starker Tobak. War bis zum 12.
Lebensjahr Jesu nach Ansicht der „Terra X“-Redakteure und -Theologen
noch alles "ziemlich klar, der Knabe lebte nämlich bei seinen Eltern in
Nazareth, habe sich danach seine Spur irgendwie verloren. Dafür
ausschlaggebend sei der dreitägige Besuch im Tempel von Jerusalem
gewesen, wo ihn seine besorgten Eltern schließlich mit den jüdischen
Gelehrten diskutierend fanden. Die ungläubigen Fernseh-Theologen von
heute unterschlagen dabei allerdings den wichtigsten Aspekt, denn Jesus
sprach zu seinen Eltern die Worte: "Wußtet ihr nicht, daß ich in dem
sein muß, was meines Vaters ist?" (Lk 2,49). Doch dieser Hinweis hätte
ja bedeutet, zuzugeben, daß Jesus wirklich Gottes Sohn ist, was jedoch
die Umkehrung aller theologischen Werte und Wahrheiten zu "kritischen"
Fragestellungen heutzutage offenbar nicht mehr erlaubt.
Was aber macht ein moderner und aufgeklärter Theologe, wenn er die
Wahrheit der christlichen Religion nicht mehr kennt und auch schon
lange nicht mehr daran glaubt? Er beginnt zu schwadronieren, die
Heilige Schrift modernistisch auszulegen und ein neues "Christentum"
einzuläuten, das jedoch antichristlicher ist als jeder Agnostizismus
oder gar Atheismus eines Nietzsche oder Goethe, die immerhin noch
wußten, worüber sie sprachen und schrieben. Jesus habe zwischen seinem
12. und 30. Lebensjahr, als er nämlich nach der Auffassung unserer
TV-Theologen "verschollen" war - während er jedoch nach den
übereinstimmenden Berichten der Evangelisten als Zimmermann in Nazareth
weilte -, viele Jahre unter den Zauberern und Wundertätigen in Ägypten
und Syrien verbracht, und wurde dort in die Geheimnisse des Heilens von
Kranken und des Erweckens von Toten eingeweiht. Es kommt aber noch
härter. Nach anderen Berichten weilte er gar in Tibet, wo er bei
buddhistischen Lamas in die Lehre gegangen sei. Und nach einer weiteren
These sei Jesus auch in Indien gewesen und habe hier von
Hindu-Priestern eine Initiation erhalten. Zudem sei er auch in geheime
yogische Praktiken unterwiesen worden, die ihn befähigt hätten, durch
extreme Meditation den Märtyrertod am Kreuz zu überleben. Da ist es
natürlich auch politisch nicht korrekt, den Juden zumindest eine
Mitschuld an der Kreuzigung Jesu, dem grauenvollsten Justizmord der
Weltgeschichte an einem vollkommen Unschuldigen und zudem Sündenlosen,
zu geben. Das sei "historisch längst widerlegt": "Pilatus hieß die
Kanaille!" In den Evangelien liest sich das zwar - vorsichtig
formuliert - ein wenig anders, aber unsere Fernseh-Theologen scheint´s
nicht zu kümmern. Scheintot sei Jesus schließlich von seinen Anhängern
an einen sicheren Ort gebracht worden und später nach Kaschmir
geflohen. Und hier, in Srinagar, befinde sich auch seine Grabstätte.
Letzteres behaupten ja nun auch die Muslime, denen man aber, das sei
immerhin zu ihrer Entschuldigung gesagt, nun eben gerade nicht
vorwerfen kann, die Offenbarungen Christi in ihrem Wahrheitssinn nach
eigenem modernistischen Gusto zu verdrehen und zu verfälschen. Im
Gegensatz zu unseren "christlichen" TV-Theologen, die genau wissen, was
sie tun, und denen Er darum auch nicht vergeben wird aus dem
inkarnierten göttlichen Sohn einen bloßen "Fall Jesus" gemacht zu
haben. Kleinkariert, ohne wirklich innergöttlichen Vollzug und im
Tiefsten völlig dem Christentum zuwider stellt man Christentum, Islam,
Buddhismus und Hinduismus nebeneinander, die Wahrheit neben den Irrtum.
Das ist zweifellos ein objektives Verbrechen, zumindest aber eine
besonders bösartige Sumpfblase geistiger Stupidität, andererseits ist
es in gewisser Weise auch neu: "Christliche" Theologen, die das
Geheimnis der Erlösung leugnen, und in Christus nur noch den „Fall“
sehen, den es zu "erforschen" gilt.
Die christliche Religion war und ist jedoch nichts anderes als das
Ereignis des ewigen Schicksals des Menschen, auch wenn dessen
Erkenntnispotenz zur Schöpfungsordnung heute keinen Zugang mehr findet,
vom Wesen einer wahren Religion nichts mehr versteht und falsche
Mysterienspiele nicht mehr als solche zu durchschauen vermag. |