Auf dem Wege zur Abschaffung des Menschen
von
Magdalena S. Gmehling
Am 11. Januar 2006 wurde der Schweizer Chemiker und Entdecker eines
berühmten Modegiftes Albert Hofmann 100 Jahre. Bereits 1943
veröffentlichte er zusammen mit Stoll die Synthese der Substanz :
d-Lysergsäurediäthylamid, genannt LSD-25. Durch eigene, psychedelischen
Erfahrungen ernüchtert, schrieb er 1979 das Buch "LSD - mein
Sorgenkind".
Sein Wissen um bewusstseinserweiternde Drogen brachte den Forscher in
brieflichen Kontakt zu zeitgenössischen Schriftstellern, unter ihnen
Ernst Jünger und Aldous Huxley. Letzterer hatte ausführliche
Selbstversuche mit Meskalin hinter sich. Huxley, dessen Großvater einer
der Pioniere der Evolutionsforschung war, beschwor bereits 1932 in
seinem Jahrhundertroman "Brave new World" eine Utopie, deren
Quintessenz nach Intelligenzstufen genormte, künstlich erzeugte
Menschen sind. Durch Propaganda und Drogen beherrscht, tauschen sie
Freiheit, Religion, Kunst und Humanität gegen das "Glück der
Sklaverei". Die von ihm als Regulativ intendierte Glücksdroge Soma
(Asciepias acida), die übrigens seit uralter Zeit in Indien Verwendung
findet, sollte zusammen mit Hypnopädie die Wonnen einer
enthumanisierten Gesellschaft für jedermann erreichbar werden lassen.
In seinem Essayband "Dreißig Jahre danach" ("Brave New World
Revisited") revidierte Huxley die von ihm erdachte Zeitspanne (632
Jahre) der Umkonditionierung. Ernüchtert durch die Massen-morde des 20.
Jahrhunderts glaubte er nun, Manipulation und technischer Fortschritt
würden wohl in einem Bruchteil der veranschlagten Zeit seine grausigen
Visionen verifizieren.
Huxley starb vor 43 Jahren am 23.11.1963. Die von ihm karikierte,
weitgehend mechanisierte, und der psychologischen Beeinflussung hörige,
a-religiöse Wohlstandsgesellschaft, ist nahezu verwirklicht.
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Begriff der Intelligenz, der
mit Klugheit verbundenen geistigen Aufgeschlossenheit. Zu unterscheiden
ist Intelligenz vom Gedächtnis, von Dressurleistungen, von der
Erinnerung. Ein intelligentes Wesen kann Folgerungen ziehen, kann aus
gegebenen Tatsachen Verknüpfungen schaffen, neue Zusammenhänge
erschließen, Zukünftiges vorausplanen, Erkenntnisse übertragen. Ihm ist
die Sprache gegeben. Dies ermöglicht Kulturleistungen vielfacher Art.
Ein begabter Künstler schafft aus vorhandenen Bausteinen im kreativen
Prozess der Umwandlung und Anverwandlung sein Werk. Ein begnadeter
Wissenschaftler erobert durch geniale Verknüpfungen und Intuitionen
Neuland.
Nun verebbt heute die Klage nicht, wir befinden uns auf dem Wege der
Degradierung des Menschen zum seelenlosen Instrument. C. S. Lewis legt
in seinem Roman "Die böse Macht" dem zwielichtigen Lord Feverstone
derartige Visionen in den Mund: "Eine richtige Erziehung bringt den
Schüler unfehlbar dorthin, wo sie ihn haben will, gleichgültig, was er
oder seine Eltern dagegen zu unternehmen versuchen. Natürlich wird sie
zuerst hauptsächlich psychologischer Natur sein müssen; aber im
weiteren Verlauf werden wir zur biochemischen Konditionierung und der
direkten Manipulation des Gehirns übergehen." 1) Die Pläne für eine
dirigistische staatliche Erziehung liegen auf dem Tisch. Der
familienpolitische Kurswechsel wird die Beliebigkeit sozialer Bindungen
intensivieren. Findet also eine Umpolung statt? Befinden wir uns
bereits auf dem Wege zu den genormten Alpha-, Beta- 'Gamma-, Delta- und
Epsilon-Menschen von welchen Huxleys eingangs zitierter Roman handelt?
Dem Daseinsfrust ausgeliefert, sind wir kaum mehr in der Lage,
sinnorientierte Wege geistigen Aufbruchs zu wagen. Betäubung, Sucht und
Rausch, zumindest aber mediate Dauerberieselung scheint als
Entspannungstechnik zur Notwendigkeit zu werden. Angesichts der
unerhörten Geschicklichkeit, mit welcher bereits Kinder problemlos
Computer aller Art bedienen, sich in die endlose Informationsflut der
Postmoderne einklicken, mit Raffinesse strategiebewusst reagieren,
fragt man sich auf welche Reiz-Reaktionsschemen die nächste Generation
eingeschworen werden soll. Wer verfolgt welche Ziele? Wie weit ist die
Roboterisierung fortgeschritten? Es will mir scheinen, als vollziehe
sich zunächst eine bedeutsame Gewichtsverschiebung, eine Art
Strukturveränderung hinsichtlich des Gedächtnisses, welches der
Intelligenz gewissermaßen einen Streich spielt.
Beispiele für Gehirnwäsche gibt es en masse. Die moderne Gesellschaft
erzieht ihre Mitglieder zu Sex, Brutalität und Gottvergessenheit.
Dieser Vorwurf wiegt schwer. Dennoch ist er verifizierbar. Virtuelle
Spiel- und Lebenswelten, unkontrollierter Fernsehrausch, Diskozauber
und Druggie-Szene, all dies graviert nervliche Erregung in die Gehirne.
Es werden sozusagen Speicherplätze belegt, ungeheuere Mengen von
Zeichen und belanglosen Mitteilungen notiert. Die Reizfülle verhält
sich umgekehrt proportional zu der zur Verfügung stehenden Zeit der
Verarbeitung. Er findet keine Ver-knüpfung zwischen Vergangenem und
Gegewärtigen statt. Nervöse Überflutung verhindert
Bewältigungsstrategien. Ein Gefühl der Beliebigkeit tritt an die Stelle
wohlgeordneter Prioritäten. Von gera-dezu existentieller Bedrohung ist
die Senkung der Hemmschwelle hinsichtlich der Gewaltbereitschaft. Das
virtuelle Gaukelspiel entfaltet seine Wirkung. Kein barmherziger
Mouseklick lehrt das Vergessen. Viele Köpfe gleichen überfüllten
Rumpelkammern. Unfähig der geistigen Wirrnis ein Pendant zusetzen,
dümpelt man zwischen Lust und Frust. Selbst Babys und Kleinkinder
werden durch sogenannte Teletubbies pausenlos berieselt. Professor Dr.
Manfred Spitzer hat dies jüngst als kriminell bezeichnet und
nachgewiesen, dass Stoffwechsel und Knochenentwicklung hochgradig
geschädigt werden. Marianne Koch gab zu bedenken, dass die durch rasend
schnelle Filmschnitte erzeugten Sinneseindrücke bei Kindern
Gehirnschäden bis zum Ausbruch von Epilepsie verursachen können.
Wohin also steuert diese Gesellschaft?
Wer den richtigen Lebensweg sucht, stößt bestenfalls auf
intellektualistische Schönredner, die ein horizontales Gottesreich
verkünden. Allein der Ersatz des Wortes Moral durch den dehnbareren
Begriff einer nicht-religiösen Ethik, die alles sittliche Tun
monologisch im menschlichen Ich und dessen Vollendung begründet, sollte
misstrauisch machen.
Die flotte "Vernutzung" des Menschen ist in vollem Gange. Das
Fortpflanzungsverhalten unterliegt gnadenloser propagandistischer
Indoktrination. Bemäntelt mit zweifelhaften Befriedungsversprechen der
Weltbevölkerungskontroll-Organisationen, eingespannt in Aktionismus
vergisst und verdrängt der "Gleichgeschaltete" seine Pflicht zur
Reflexion. Verbunden mit Tötungsanimationen impfen Medien psychische
Abstumpfung ein. Dies betrifft sowohl das Ende des Lebens, als auch
dessen Anfang. Auf scheinheilige Art und Weise werden
Pseudo-Notwendigkeiten konstruiert. Bei Müttern, die Psychodrogen
nehmen, weisen beispielsweise Kinder Chromosomenbrüche und leichte
Missbildungen auf. Sind solch geschädigte Embryonen zumutbar? Die
Mitleidslobby plädiert für "Nein". Wer nimmt angesichts der
erschreckenden Zunahme von HIV-Infizierten einen "Kondommuffel" ernst?
Wer die homonellen und sozialen Schäden der Pille? Ein schwuler
Prominenter bekannte sich zu seinem Laster mit der aus der Bibel (Gen.
I;25) blasphemisch entlehnten Bekräftigung "und es ist gut so". Selbst
Bundespräsidenten lassen rosarote Fähnchen im Winde flattern. Klon-Lüge
hin oder her, der Griff nach dem Zellkern hat das Angesicht der Erde
verändert. Erwin Chargaff schreibt dazu: "Die Rätselhaftigkeit des
Menschenlebens, der Menschengeschicke wird nie von einer Formel erfasst
werden. Wenn die Brutfabriken des 21. Jahrhunderts einmal richtig
angelaufen sind, wird das nicht ein Mensch sein, was da erzeugt wird,
sondern eine vielfache Kopie-homo multiplex der Missgeburten, die sich
das ausgedacht haben." 2)
Die jüngste Diskussion hinsichtlich eines Wortsurrogates für den
Begriff "Seele" erscheint vor diesem Hintergrund von symptomatischer
Signifikanz. Es ist in Verruf gekommen das Immaterielle im Menschen.
Wie steht es um den Klon der menschlichen Seele? Verbirgt er sich noch
in aufgeblasenem Wissenschaftsgeschwätz? Das uralte Wort
"Unsterblichkeit" - welch vorsintflutlicher Klang (!) - kitzelt unsere
Ohren. Es ist ein gefährlicher Irrweg, die Geistseele mit Leben
gleichzusetzen. Ich zitiere in diesem Zusammenhang Mt. 16, 26 in der
schönen Übersetzung von Luther: " Was hülfe es dem Menschen, so er die
ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele." Hier ist
uns sofort klar, dass Schaden an der Seele etwas völlig anderes
bedeuten muss, als Schaden am "Leben".
Seelenmörder bemächtigen sich roh des Lebens und des Todes. Ja sie
erachten sich selbst als "Spottgeburt aus Dreck und Feuer". Mit
mephistophelischer Galanterie legen sie ihre eiskalten Klauen um warme
pochende Herzen.
Seelenmörder verschieben die Gewichte der Lebenswaage und eichen die Gewissen an unbekannten oder willkürlichen Größen.
Seelenmörder verkünden die frohe Botschaft des Ohrenkitzelns.
Seelenmörder setzen auf Massenerzeugung des entpersönlichten Menschen.
Seelenmörder tanzen mit der Hybris um die Wette und stellen Gott in den Giftschrank.
Wir sind aufgerufen, ja verpflichtet zum Widerstand. Man wird uns
verfolgen - gnadenlos. The readiness is all. (Hamlet 5,2). Vielleicht
werden wir enden wie "der Wilde" in Huxleys gigantischer Utopie.
Anmerkungen:
1) C. S. Lewis: Die böse Macht, Wilhelm Heyne Verlag 1976, S. 38
2) Erwin Chargaff: Unbegreifliches Geheimnis, Luchterhand 1989, S. 186
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Über den hl. Pius X.
Es machte ihm - Don Giuseppe Sarto - nichts aus, daß er, um die Armut
und Not seiner Pfarrkinder lindern zu können, auch die notwendigsten
Anschaffungen für sich selbst unterlassen mußte. Manches Mal klagten
seine Schwestern, er habe keine Strümpfe mehr. "Stopft die alten",
sagte er. "Der Talar bedeckt alles." Er hatte keine Strümpfe, weil er
mehr an die Armen dachte als an sich selber. Er hatte keine Kleider,
weil er "alles weggab", weil er sich auch des Notwendigsten beraubte,
sogar seiner eigenen Hemden und seiner Schuhe. Ihm genügte die Freude,
die alles gibt und nichts verlangt; ihm genügte es, geängstigte
Menschen zu beruhigen, Unglückliche zu trösten, Leiden zu lindern und
zu spüren, daß die Armen dadurch ihm näher kamen, aber auch Gott. Wer
ihm riet, er möge ein wenig an sich selber denken, erhielt die Antwort
(...): "Der Herr wird für alles sorgen."
(aus: Dal Gal, Hieronymus: "Pius X." Freiburg/Schweiz 1952, S.57, 271.)
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