Christi Auferstehung
von
Maria von Agreda (1602-1665)
Christi Auferstehung von den Toten.
Er erscheint mit den Erzvätern aus der Vorhölle seiner Mutter. Wie sich
der Herr den Marien und Aposteln offenbarte davon hatte Maria die
klarste innere Anschauung.
Christi Seele blieb von halb vier Uhr Freitag abends bis drei Uhr in
der Frühe des nächsten Sonntags in der Vorhölle. Hierauf kehrte sie im
Triumphe, von Engel und Heiligen begleitet, welche er erlöset, und die
nun Zeugen seines Sieges über den höllischen Feind waren, in das Grab
zurück, wo der heilige Leichnam lag, welcher von vielen Engeln daselbst
verehrt wurde. Einige von ihnen hatten auf Maria Befehl alles von
Christo vergossene Blut, die von den Wunden abgefallenen Fleischteile,
das ausgeraufte Haar und alle fehlende Substanz gesammelt. Den
Erzvätern wurde, als sie im Grabe sich eingefunden, der mit Wunden
überdeckte und verunstaltete Leib des Herrn gezeigt. Die Patriarchen,
Propheten und Heiligen beteten denselben unter dem Bekenntnis an, daß
das menschgewordene Wort unsere Schwachheiten und Schmerzen auf sich
genommen. Adam und Eva wurden sich der Größe der Verheerung bewußt,
welche sie durch ihren Ungehorsam herbeigeführt, und wie unendlich die
Güte und Barmherzigkeit des Erlösers gewesen. Die Propheten und
Patriarchen erkannten die Erfüllung ihrer Weissagungen. Alle priesen
und lobten den Herrn. In Gegenwart dieser heiligen Seelen wurden alle
Mängel des heiligen Leichnams durch die gesammelten Partikeln auf eine
geheimnisvolle Weise durch die Engel ergänzt. Zugleich vereinigte sich
die Seele des Herrn mit dem heiligen Leibe, welcher damit unsterbliches
Leben und Herrlichkeit annahm. Statt der Tücher und Salben, womit er
bestattet worden, wurde er mit den vier Eigenschaften der Herrlichkeit,
Klarheit, Leidlosigkeit, Fähigkeit, sich allerorts hinzubewegen, und
Durchdringlichkeit, ausgestattet. Zuvor standen ihm diese Gaben schon
vom ersten Augenblicke der Empfängnis an zu Gebote. Sie waren aber
zurückgehalten, damit der Leib des vollen Leidens fähig sein, und
Christus uns die Herrlich-keit, welche seinem eigenen Leibe entzogen
war, desto heller erkennen lassen möchte. Die Wundmale blieben an den
Händen, den Füßen und in der Seite so schön und glänzend, daß sie zu
noch höherer Verherrlichung des verklärten Leibes dienten. Durch seine
Auferstehung gab Christus den Menschen ein Pfand der Auferstehung eines
jeglichen unter ihnen im Fleische und der Verherrlichung des Gerechten.
Dieses Versprechen bekräftigte Christus dadurch, daß er die Seelen
vieler Heiligen in ihre Leiber sandte, um sich mit denselben zu
vereinigen und sie zu einem unsterblichen Leben zu erwecken. So wurden
viele Leiber Heiliger erweckt, namentlich die Leiber der heiligen Anna
und Joachims, des heiligen Joseph und anderer aus der Zahl der
Erzväter. Auf Christi gebietende Stimme setzten sich die dürren Gebeine
der uralten Verstorbenen zusammen; das bereits in Staub verwandelte
Fleisch erneuerte sich, vereinigte sich mit den Gebeinen, und nahm sein
früheres Wesen und die verklärende Herrlichkeit dazu an. Schön,
durchsichtig, leicht und rein standen diese Auferstandenen vor Christo,
und waren imstande, ihm überallhin zu folgen. Hiermit haben sie uns die
Hoffnung gewährleistet, daß auch wir in diesem unserem Fleische und mit
diesen unseren Augen den Erlöser sehen werden, wie es von Job (29,26.
27.) zu unserem Troste vorhergesagt worden.
Maria, welche alle diese Vorgänge mit ihrem inneren Auge geschaut, war
voll unaussprechlichen Jubels. Als Johannes zu ihr hereintrat, fand er
sie leuchten, umgeben von den Zeichen der Glorie. Er schloß hieraus,
der Herr müsse von den Toten bereits auferstanden sein. - Zu der mit
heiligem Jubel bereits erfüllten Jungfrau trat Christus, von den
Heiligen und Patriarchen umgeben, in das Zimmer hinein. Sie warf sich
anbetend ihrem auferstandenen Sohne zu Füßen. Er erhob sie und drückte
sie an sich. Sie empfand eine neue, unbekannte, so mächtige Gnade, daß
sie dieselbe zu ertragen unvermögend gewesen sein würde, wenn nicht der
Herr und die Engel sie gestärkt hätten. Es begab sich das Wunder, daß
der verherrlichte Leib des Sohnes den Leib seiner jungfräulichen Mutter
in sich einschloß, sich mit ihr oder sie mit ihm durchdrang, wie wenn
eine klare Kugel von Kristall in sich die Sonne einschließt, welche
dieselbe mit der Schönheit und dem Glanze ihres Lichtes ganz und gar
erfüllt. Durch diese Gnade stieg der Geist der Himmelskönigin zum
Begriffe und zur Erkenntnis der verborgensten Sakramente. Als sie sich
darin befand, vernahm sie eine Stimme: "Freundin, steige höher hinauf."
In Kraft dieser Stimme wurde sie völlig verwandelt, und schaute die
Gottheit. Einige Stunden lang genoß die Jungfrau der Wesenheit Gottes
mit ihrem allerheiligsten Sohne, und wurde seiner Glorie nun ebenso
teilhaftig, wie vorher seiner Schmerzen. Wie sie aufgestiegen war,
stieg sie allmählich wieder abwärts, und fand sich am Ende dieses
Gnadenerweises auf dem linken Arm der allerheiligsten Menschheit
Christi lehnend. Sie pflog ein überaus süßes Gespräch über die tiefen
Geheimnisse seines Leidens und seiner Herrlichkeit mit ihrem göttlichen
Sohne, und wurde dadurch von neuem mit dem Weine der Liebe erfüllt, den
sie ohne Maß beim Ursprunge selber trank. Maria erkannte alle ihr
vorgeführten Patriarchen und Propheten, und redete sie an, namentlich
ihre Eltern und den heiligen Joseph, sowie Johannes den Täufer, dann
auch Adam und Eva. Alle warfen sich vor Maria nieder, und erkannten sie
als die Mutter des Erlösers der Welt an, als eine Ursache des Heils,
eine Beihelferin der Erlösung, und wollten sie als solche verehren.
Allein die Meisterin der Demut fiel auf ihre Kniee nieder und widmete
den Heiligen die schuldige Verehrung, die ihnen deshalb gebührte, weil
sie schon wirklich in den Stand der Seligen aufgenommen waren. Maria
forderte jene auf, mit ihr den Überwinder des Todes und der Hölle zu
preisen.
Maria Begegnisse nach der Auferstehung Christi. Ihr wird der Titel
einer Mutter und Königin der Kirche beigelegt. Christi Besuch bei ihr.
Die Zeit, welche Christus mit seiner Mutter nach der Auferstehung bis
zur Himmelfahrt im Hause des Abendmahles hinbrachte, war göttlichen,
über alle menschlichen Gedanken erhabenen Gesprächen und Werken
gewidmet. Weil diese Geheimnisse unaussprechlich sind, kann ich darüber
auch keine Mitteilungen machen. Die seligmachende Anschauung geht über
allen sinnlichen Jubel und Trost. Maria Freuden sprachen sich aus im
Lob und Preis des Allmächtigen, worin die Heiligen, die ihr häufig
Gesellschaft leisteten, einstimmten. Durch die beseligenden und
preisenden Gedanken und Empfindungen, welche Maria bewegten, wandelte
sich das Haus des Nachtmahls gleichsam in einen anderen Himmel um. Ihre
eigenen Lobgesänge ließ Maria mit den Psalmen Davids und den
Prophezeiungen abwechseln. Sie hielt über die höchsten und wichtigsten
Dinge Wechselgespräche mit Joachim, Anna, Joseph, Johannes dem Täufer
und anderen Heiligen. Marias Zustand war von demjenigen der Seligen
wenig verschieden. Alle Seelen der Gerechten, welche in den vierzig
Tagen von der Auferstehung bis zur Himmelfahrt starben, gingen nach dem
Abscheiden von ihrem Körpern zuerst ins Haus des Abendmahls ein. Die
ins Fegfeuer bestimmten warteten aber alldort mehrere Tage, ohne den
Herrn jedoch zu sehen. Maria bete für sie und legte sich für sie viele
Übungen und Werke auf. Dadurch kürzte sie ihnen den Schmerz, Christum
nicht sehen zu können, ab. Unter allen diesen Übungen und Freuden
vergaß Maria der Armen nicht, welche von der Herrlichkeit der Kinder
Evas ausgeschlossen sind. Sie bat auch für diese auf das inbrünstigste,
und stellte die Bitte, Gott wolle das neue Gnadengesetz durch die ganze
Welt ausbreiten, die Kinder der Kirche vermehren und diese beschützen.
Als sich Maria in einer von solchen Übungen befand, erschien ihr einige
Tage vor der Himmelfahrt der ewige Vater und der heilige Geist auf
einem über alle Chöre der Engel und Heiligen erhöhten, mit
unaussprechlichem Glanze umkleideten herrlichen Throne. Zu ihnen setze
sich die Person des menschgewordenen Wortes. Die demütige Jungfrau warf
sich zu Boden, und bete die heilige Dreifaltigkeit mit Inbrunst an.
Zwei Engel hoben sie auf Geheiß Gott Vaters auf und stellten sie zum
dem Fuße des Thrones. Hier demütigte sie sich aufs neue. Nun hieß es:
Freundin, steige höher hinauf. Die göttlich Kraft zog sie zum Throne
empor, wo sie ihren Platz neben den drei göttlichen Personen erhielt.
Gott Vater vertraute und empfahl Maria die Kirche, welche sein
Eingeborener gegründet, samt dem neuen Gnadengesetze an. Der heilige
Geist teilte ihr, als seiner Braut, seine Weisheit und Gnade mit. Der
Sohn sprach: er gehe nun zum Vater und lasse sie an seiner Statt
zurück, er lege ihr die Sorge für seine Kirche und ihre Kinder, Christi
Brüder, auf. Dann stellten die göttlichen Personen Maria den anwesenden
Engelchören als Königin alles Erschaffenen im Himmel und auf Erden, als
Beschützerin der Kirche, Beherrscherin der Geschöpfe, Mutter der Milde,
Fürbitterin der Gläubigen, Fürsprecherin der Sünder, Mutter der schönen
Liebe und heiligen Hoffnung u.s.w. vor. Als Maria diese
unaussprechlichen Gnaden vernommen, erniedrigte sie sich noch tiefer
zum Staube, als ob sie die geringste wäre. Sie bot sich dar zu einer
getreuen Dienerin der Kirche und übernahm von Stund' an die Sorge für
die Kirche. Hierbei gelangte Maria zu einer solchen Teilnahme an den
Eigenschaften und Vollkommenheiten des Sohnes, daß es sich nicht
beschreiben läßt. Von allen diesen Geheimnissen wurde dem heiligen
Johannes einiges Licht gegeben. Sein Bemühen, Maria zu ehren, wurde
infolgedessen erhöht. Unter den vierzig Tagen von der Auferstehung bis
zur Himmelfahrt verging kein einziger, an welchem Maria nicht irgend
einer besonderen Guttat teilhaftig wurde. Zuletzt beschloß Christus,
der vollständigen Versammlung der Apostel, Jünger und Jüngerinnen sich
zu zeigen, welche hundertundzwanzig an der Zahl sich zusammengefunden
hatten. Diese Erscheinung erfolgte im Saale des Abendmahles am Tage der
Himmelfahrt, und zwar nach der Erscheinung, welche der heilige Markus
im letzten Kapitel erzählt. Die Apostel waren (...) wieder nach
Jerusalem zurückgekehrt, um der Himmelfahrt beizuwohnen (vgl. 1 Kor.
15,6).
(aus: "Die geheimnisreiche Stadt Gottes. Geschichte des
Lebens der heiligsten Jungfrau Maria wie sie Maria von Agreda
geoffenbart wurde", hrsg. v. Franz X. Kerer, Regensburg 1904, 6. Buch,
Kap. 24 u. 25, S. 365ff.)
|