54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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Abrahams Opfer und das Opfer Christi
 
Abrahams Opfer und das Opfer Christi

von
Eberhard Heller


In meinem Beitrag „Cur Deus Homo - warum Gott Mensch wurde“ (Einsicht Nov. 2021, Nr. 5) hatte ich dargelegt, daß nach Maria von Agreda Gottes Offenbarung in seinem Sohn unbedingt erfolgt sein würde, während nach Anselm von Canterbury die Offenbarung bedingt war durch den Sündenfall der Menschen, der eine Sühneleistung des sündenlosen Gottes Sohnes erforderte und dadurch auch die Geburt des Gottessohnes erforderlich machte, der diese Sühneleistung erbringen sollte. In einem früheren Artikel von mir mit dem Titel “Wo zwei oder drei in Meinem Namen versammelt sind …“ (Mt. 18,20 EINSICHT 37/6 vom Dez. 2007, S. 179 ff.) hatte ich einen Hinweis darauf gegeben, daß Gott mit dem Ansinnen an Abraham, seinen Sohn zu opfern, eine Seinem Willen, Seinen eigenen Sohn zu opfern als Sühne für die Sünden der Menschen, korrespondierende Bereitschaft gesucht (und gefunden) hat. Diese Situation der in Sünde gefallenen Menschheit, die der Erlösung harrte, hat auch das Erscheinen Gottes als Mensch mitbestimmt, wie ich in dem eingangs zitierten Beitrag bereits ausgeführt habe. Die Erscheinung Gottes als konkrete Person ist das große Wunder! Gott, der absolut in sich, durch sich ist, tritt aus sich heraus, erscheint, erscheint in der konkreten Gestalt des Gott-Menschen. Er wird geboren als Kind aus Maria, der absolut reinen Magd, die wiederum erst ihr "fiat" sprach: "Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine. Et homo factus est."

Maria von Agreda antizipiert beide Positionen und trägt sie Gott vor: “Warum ist die entgegengesetzte Ansicht, daß nämlich das ewige Wort hauptsächlich zu dem Zwecke vom Himmel auf die Erde herabgestiegen sei, um durch sein heiligstes Leiden und Sterben die Menschen zu erlösen, sogar die allgemeinere? Diesen Zweifel habe ich in Demut dem Herrn vorgetragen, und Seine göttliche Majestät würdigte sich, mir darauf zu antworten. (…) Der Herr sprach zu mir: «Meine Braut, meine Taube, höre! Als dein Vater und Lehrmeister will Ich deinen Zweifel beantworten und in deiner Unwissenheit dich belehren. Wisse, daß der hauptsächliche und eigentliche Zweck meines Ratschlusses, die in der Person des Wortes mit der menschlichen Natur persönlich vereinigte Gottheit mitzuteilen, kein anderer war als die Verherrlichung, welche sowohl für Meinen Namen als auch für die Meiner Gnade fähigen Geschöpfe aus dieser Mitteilung hervorgehen sollte. Daß dieser Ratschluß in der Menschwerdung ausgeführt worden wäre, auch wenn der erste Mensch nicht gesündigt hätte, ist nicht zu bezweifeln; denn es war ein ausdrücklicher und im wesentlichen bedingungsloser Ratschluß. Mein Wille, der in erster Linie darauf ging, Mich der mit dem Worte geeinten Menschheit des Erlösers und insbesondere Seiner menschlichen Seele mitzuteilen, mußte wirksam sein; denn so entsprach es meiner Heiligkeit und der Gerechtigkeit meiner Werke.“ (aus: Maria von Agreda: "Leben der Jungfrau und Gottesmutter Maria", Bd. 1, aus dem Spanischen übersetzt, hrsg. vom Albert-Magnus-Verein, Gosheim 1978, S. 121) Wäre also Gott auch Mensch geworden, wenn die Menschheit nicht der Erlösung bedurft hätte? Sicherlich, denn Gott wollte den ganz konkreten (Liebes-)Bund mit den Menschen.

Anselm von Canterbury hatte bereits 5 Jahrhunderte vorher explizit die Frage gestellt, warum Gott Mensch wurde. „Cur Deus Homo?“ Er geht von der un-heilsgeschichtlichen Tatsache aus, daß der Mensch bereits in den ersten Menschen, Adam und Eva, gefehlt hatte und weiter sündigte. Danach kam der Gottes-Sohn auf die Erde, um durch seinen Sühnetod den gefallenen Menschen die Rückkehr ins Vaterhaus zu ermöglichen. Die Menschwerdung Gottes ist nach Anselm auf die Sühne hin geschlüsselt, um den Preis zu zahlen, den die vielen und schrecklichen Vergehen der Menschen gefordert hatten, am Schluß noch überhöht durch das Verbrechen des Hohen Priesters, der den Sohn Gottes wegen Gotteslästerung dem Tod überlieferte und ihn ans Kreuz nageln ließ.

Gottes Offenbarung wäre nach Maria von Agreda also unbedingt erfolgt, also auch, wenn die Menschen nicht in Sünde gefallen wären. Während Anselm die Tatsache berücksichtigt, daß die Menschheit in Sünde gefallen war, aus der sie Gott retten wollte, also von daher gesehen Gottes Offenbarung bedingt war durch seinen Willen zur Sühne.

In einem Beitrag von Eugen Golla für die EINSICHT aus dem Jahr 2000, in dem er uns das Leben des hl. Anselm von Canterbury vorstellt, geht er auch ausführlich auf dessen Auffassung ein „Cur Deus homo“ - warum Gott Mensch wurde: “Die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung Christi für die Sünden der Menschen ist zwar bereits im Alten und Neuen Testament klar ausgedrückt, z.B. in Isaias prophetischem Wort über den leidenden Gottesknecht oder in dem Ausruf Johannes des Täufers: "Sehet das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt" (…) Die Würde und Ehre Gottes verlangt nicht nur Rückerstattung, sondern auch eine Genugtuung oder Bestrafung. Da aber Gottes Barmherzigkeit eine Bestrafung, d.h. die Verdammung des nach den Engeln höchsten Geschöpfes, des Menschen, nicht zuläßt, dieser aber für die Größe seiner Schuld Sühne zu leisten außerstande ist, ergibt sich der Schluß, daß zur Leistung der Sühne nur der fähig ist, wer Gott und Mensch zugleich ist. Dieser vollbrachte schuldlos eine unendliche Leistung. Deren Lohn war die Übertragung dieses Verdienstes auf die Menschen, die an den Heiland glauben, die sich bemühen, Gottes Gebote zu halten, und die diese unverdiente Leistung in Demut annehmen wollen. Jedenfalls hat Anselm mit seiner Satisfaktions-Theorie die Grundlagen für die Erlösungslehre des Konzils von Trient geliefert.“ (Eugen Golla: Der heilige Anselm von Canterbury, EINSICHT Nr. 1 vom April 2000)

Es bleibt die Frage, ob Gott diese, durch seinen Willen so gewollte bedingte Menschwerdung seines Sohnes, also zum Loskauf der Sünden, d.h. zur Sühne der sündigen Menschheit gegenüber den Menschen als bedingungslos offerierte, oder ob er sie an Bedingungen knüpfte, die seitens des Menschen erfüllt sein mußten, um Gottes Vorhaben wirksam werden zu lassen. Denken wir nur an Maria, die den Gottessohn empfing, nachdem sie ihr „Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk. 1, 38) gesprochen hatte, wobei sie gleichsam einwilligte, ein eheloses Kind zu gebären. Dabei muß man bedenken, daß im Alten Testament wegen der Geburt eines unehelichen Kindes die Mutter aus der Gemeinde ausgeschlossen werden konnte. „Es soll auch kein Hurenkind in die Gemeine des Herrn kommen, auch nach dem zehnten Glied, sondern soll schlecht nicht in die Gemeine des Herrn kommen.“ (5 Mose 23,2) Und selbst Paulus schreibt den Hebräern: „Seid ihr aber ohne Züchtigung, welcher sie alle sind teilhaftig geworden, so seid ihr Bastarde und nicht Kinder.“ (Hebräer 12,8) Also ohne diese Zustimmung wäre Christus nicht geboren worden... und auch nicht ohne Zusage des hl. Joseph, Maria zu sich zu nehmen.

Um die Frage noch einmal zu wiederholen: Knüpft Gott sein Heilsangebot an die Menschen, wobei er seinen Sohn aufopfern würde, an bestimmte Bedingungen, die noch vor der Menschwerdung Gottes erfüllt sein müßten - denn davon hängt es ab, ob Gott Mensch wird - oder nicht, d.h. ist die Opferung seines Sohnes bedingungslos, ohne  seitens der Menschen eine Zustimmung oder ein Äquivalent für die Aufopferung seines Sohnes zu verlangen?

Wenn wir die Heilsgeschichte, insbesondere das Alte Testament befragen, fällt auf, daß das Sohnes-Opfer Gottes im Neuen Testament zu dem Opfer Abrahams korrespondiert, der auf Anordnung Gottes seinen Sohn Isaak opfern soll. In beiden Fällen geht es darum, daß der Vater seinen Sohn opfert bzw. opfern soll: seitens der Menschen soll Abraham seinen Sohn opfern, um Gott gegenüber seinen völligen Gehorsam zu bezeugen, seitens Gottes wird Er seinen Sohn opfern, um die sündige Menschheit zu retten.

Gott hatte Abraham in mehrfacher Weise durch seine Ansprache dazu ausersehen, seine Heilsabsichten zu realisieren. Er hatte dazu mit Abraham einen Bund geschlossen, um seine Pläne mit Hilfe Abrahams durchzuführen. „Als nun Abram neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm der HERR und sprach zu ihm: Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm. Und ich will meinen Bund zwischen mir und dir schließen und will dich über alle Maßen mehren.“ (Mos. 17,1-2)

Gott hatte Abraham - weil er glaubte und gottesfürchtig war - auch Verheißungen gemacht, die sein Verhältnis mit Abraham entscheidend prägen sollten. Zunächst wurde ihm Land verheißen: „Ich bin der Herr, der dich aus Ur in Chaldäa herausgeführt hat, um dir dieses Land zu eigen zu geben.“ (Genesis 15, 7). Abraham empfing auch von Gott die Verheißung eines großen Volkes: „Ich mache deine Nachkommen zahlreich wie den Staub auf der Erde. Nur wer den Staub auf der Erde zählen kann, wird deine Nachkommen zählen können.“ (Genesis 13, 16). Auch der Prophet Jeremias spricht von diesem Bund, den Gott schließt: „Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israels und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als ich sie an der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. (…) Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ (Jer. 31,31-33) Als Bundeszeichen setzte Gott die Beschneidung fest. „Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinen Nachkommen: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Jeden Knaben, wenn er acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen. Desgleichen auch alles, was an Gesinde im Hause geboren oder was gekauft ist von irgendwelchen Fremden, die nicht aus eurem Geschlecht sind. Beschnitten soll werden alles Gesinde, was dir im Hause geboren oder was gekauft ist. Und so soll mein Bund an eurem Fleisch zu einem ewigen Bund werden.“ (1. Mos. 17, 10-13)

Vor dieser Verheißung hatte Gott dem Abraham zugesichert: „Darum sollst du nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham soll dein Name sein; denn ich habe dich gemacht zum Vater vieler Völker. Und ich will dich sehr fruchtbar machen und will aus dir Völker machen und Könige sollen von dir kommen. Und ich will aufrichten meinen Bund zwischen mir und dir und deinen Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht, dass es ein ewiger Bund sei, so daß ich dein und deiner Nachkommen Gott bin.“ (1. Mos. 17,5-7) Am Schluß verkündete ihm Gott: „Du sollst Sarai, deine Frau, nicht mehr Sarai nennen, sondern Sara soll ihr Name sein. Denn ich will sie segnen, und auch von ihr will ich dir einen Sohn geben; ich will sie segnen, und Völker sollen aus ihr werden und Könige über viele Völker… Sara, deine Frau,[ die zu diesem Zeitpunkt 90 Jahre alt war!] wird dir einen Sohn gebären, den sollst du Isaak nennen, und ich will meinen Bund mit ihm aufrichten als einen ewigen Bund für seine Nachkommen. (1. Mos. 17,15 f. u. 19) Also Gott stattete Abraham mit Privilegien aus, die er sonst keiner Person verliehen hatte.

Doch dann kommt die Prüfung. Gott stellt Abraham auf die Probe, er befiehlt ihm, seinen Sohn Isaak zu opfern, obwohl Gott ihm verheißen hatte, daß er der Vater von Nachkommen sein würde. D.h. wenn Abraham seinen Sohn opfern würde, könnte die ihm gegebene Verheißung eines großen Volkes nicht mehr erfüllt werden; denn Isaak sollte ja für die zahlreichen Nachkommen sorgen. Was sollte Abraham machen? Gott gehorchen und einfach seinen Sohn töten … auf Gottes Befehl, Warum? Das Buch Genesis schildert die Aufopferung des Isaak: „Gott sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija, und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar. Frühmorgens stand Abraham auf, sattelte seinen Esel, holte seine beiden Jungknechte und seinen Sohn Isaak, spaltete Holz zum Opfer und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den ihm Gott genannt hatte. Als Abraham am dritten Tag aufblickte, sah er den Ort von weitem. Da sagte Abraham zu seinen Jungknechten: Bleibt mit dem Esel hier! Ich will mit dem Knaben hingehen und anbeten; dann kommen wir zu euch zurück. Abraham nahm das Holz für das Brandopfer und lud es seinem Sohn Isaak auf. Er selbst nahm das Feuer und das Messer in die Hand. So gingen beide miteinander. Nach einer Weile sagte Isaak zu seinem Vater Abraham: Vater! Er antwortete: Ja, mein Sohn! Dann sagte Isaak: Hier ist Feuer und Holz. Wo aber ist das Lamm für das Brandopfer? Abraham entgegnete: Gott wird sich das Opferlamm aussuchen, mein Sohn. Und beide gingen miteinander weiter. Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, fesselte seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz. Schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten. Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel her zu: Abraham, Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Jener sprach: Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus, und tu ihm nichts zuleide! Denn jetzt weiß ich, daß du Gott fürchtest; du hast mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten. Als Abraham aufschaute, sah er: Ein Widder hatte sich hinter ihm mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen. Abraham ging hin, nahm den Widder und brachte ihn statt seines Sohnes als Brandopfer dar.“ (Gen. 22, 2-13) Gott hatte Abraham auf die Probe gestellt.

Es war also kein einfacher Auftrag zum Töten, den Gott dem Abraham gegeben hatte, sondern Gott wollte sehen, daß Abraham zum Opfern seines Sohnes bereit gewesen wäre. Es ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben, diese Passagen im Alten Testament zu erklären, warum Gott Abraham dieses Töten befohlen hat. Sie ist nur zu verstehen, wenn man diesen Auftrag schlüsselt mit dem späteren Opfer Christi. Darum ist auch der Lohn Gottes an Abraham groß: „Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht Gott, weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, daß ich deinen Samen segnen und mehren will wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres.“ (Gen. 22,16-18)

Und so wird Abrahams Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern - nicht einfach zu töten - zum Vorbild für Gottes Absicht, seinen eigenen Sohn zu opfern, um Sühne leisten zu lassen für die Sünden der Menschen. Paulus geht auf Abrahams Opferwillen ein: „Aufgrund des Glaubens brachte Abraham den Isaak dar, als er auf die Probe gestellt wurde, und gab den einzigen Sohn dahin, er, der die Verheißungen empfangen hatte und zu dem gesagt worden war: Durch Isaak wirst du Nachkommen haben. Er verließ sich darauf, dass Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken; darum erhielt er Isaak auch zurück. Das ist ein Sinnbild." (Hebr 11,17-19)

Das Opfer Gottes, den Sohn zu opfern, korrespondiert also mit dem Opfer Abrahams, seinen Sohn zu opfern, wie Gott es von ihm verlangt hatte. „Abraham glaubte Gott und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet.“ (Röm. 4,3) Bei Jakobus heißt es: „So hat sich das Wort der Schrift erfüllt: Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt.“ (Jak. 2,23) Abrahams Opfer ist gleichsam die Basis für die Lehre des Erlösungswerks im Neuen Testament. Sein Opfer ist so die Vorwegnahme des Opfers Christi in einem Vorbild. Dabei bleibt aber verborgen, warum Gott diesen Gehorsam eingefordert hatte. Bei Christus gibt es eine klare Ansage: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahin gab.“ (Johannes 3,16) „Er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“ (2. Kor. 5,21) Wie Isaak das Brandholz trug, so trug Christus das Kreuz, an das er genagelt wurde.  

Wer aber legt das Maß der Sühneleistung fest, durch die die Sünden der Menschen gesühnt werden sollen, wer legt fest, daß diese Sühne den Tod am Kreuz bedeutet? Es ist Gott Vater selbst, der seinem Sohn diese Bürde auferlegt, der in aller Schmach nackt dahingeschlachtet wurde wie ein Opfertier. Christi Tod am Kreuz ist das Äquivalent an Sühne für die Sünden der Menschen, seine Sühne wiegt die Sünden der Menschen auf. „Siehe, das ist das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.“ (Johannes 1,29).  Weil also Abraham auf Gottes Befehl seinen Sohn opfert bzw. opfern will, opfert auch Gott seinen Sohn Jesus Christus. Abraham hatte gleichsam die Voraussetzung geschaffen, damit Gott seinen Sohn opfern konnte. Die Bedingung für die bedingte Menschwerdung hatte Abraham somit stellvertretend für die Menschheit erfüllt.

Doch wie schwer wurde diese Sündenlast für den „Sündenlosen“, verlassen von seinen Jüngern: „Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibet hier und wachet mit mir! Und ging hin ein wenig, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorbei; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Könnet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen.“ (Mt. 26,38-40) Für die, die ihn gekreuzigt hatten, betete er noch: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! (Lk, 23,34) „Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. (Phil. 2,8 f.). Die Last, die Jesus zu tragen hatte, war so schwer, daß er sich sogar von seinem Vater im Stich gelassen fühlte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46) Doch seine letzten Worte zeigen wieder seine Ergebung in den Willen des Vaters: „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ Und als er dies gesagt hatte, verschied er. (Lk. 23,46)

Dem Opfertod am Karfreitag in äußerster Verlassenheit folgt der österliche Triumph: "Tod, wo ist dein Stachel?" Das Erdenleben Christi ist von diesen beiden Linien geprägt: von seiner göttlichen Herrlichkeit, zunächst kundgetan durch die Weisen aus dem Morgenland, und von dem Verbergen sich in absoluter Verdemütigung, um so die sündige Menschheit anzunehmen: er nahm sie an: unser Sünden als die seinigen, Er der absolut heilige, um sie zu sühnen. Darum sagt der hl. Paulus (2 Kor. 5,21): "Er (...) hat sich zur Sünde gemacht, damit wir zur Gerechtigkeit Gottes werden in ihm." ("Eum (...) pro nobis peccatum fecit, ut nos efficeremur iustitia Dei in ipso.") Diese beiden Linien - die Hoheit in der Verdemütigung - sollten auch unser Leben bestimmen und gestalten. Wir sollten in unserer Situation nicht verzweifeln, sondern sie als Prüfung annehmen und in Gott unser Vertrauen setzen. Allerdings brauchen wir heute den "Atem eines Langstreckenläufers", um die "Vereinzelung" zu ertragen. In seinem Prolog schreibt der hl. Johannes lapidar: "Er kam in Sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf." (Joh. 1,11) Gehören wir zu denjenigen, die ihn aufnehmen, d.h. Ihm nachfolgen und Seinen Weg gehen, damit wir Anteil an Ihm haben, "Kinder Gottes zu werden". (Joh. 1,12)
 
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