54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Mitteilungen der Redaktion
2. Meine Begegnung mit S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
3. My Time with His Excellency, Archbishop Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Die totalitäre Versuchung
 
Die totalitäre Versuchung 

Die „Ehe für alle“ war erst der Anfang:
Die Reproduktionsmedizin degradiert Kinder zu Lifestyle-Objekten


von
Beatrix von Storch


Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wußten genau, warum sie Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellten. Es ging ihnen um die Kinder, die am besten aufwachsen können, wenn die Ehegemeinschaft von Mutter und Vater beständig und verläßlich ist. Die üblen Folgen der Auflösung dieser Keimzelle der Gesellschaft und die gefährliche, totalitäre Versuchung, die Familie durch den Staat zu ersetzen, hatten sie noch sehr genau im Blick. Im Interesse der Kinder sollte deshalb die Ehe geschützt sein, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein „allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut“ ist. Für die „Ehe für alle“ hätte deshalb Artikel 6 des Grundgesetzes geändert werden müssen, mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit und einer Debatte, die diesen Namen verdient hätte. Daß diese Verfassungsdebatte umgangen und dies mit albernem Konfettiregen gefeiert wurde, markiert einen traurigen Tiefpunkt der deutschen Parlamentsgeschichte. Aber die Gender-Ideologen wollen das Familienleitbild der Verfassung vergessen machen. Die Vater-Mutter-Kind-Familie soll in der neuen Welt der Patchwork-, Queer- und Retortenfamilien zu einer Option unter vielen werden. Hier bestimmen die Lifestyle-Wünsche Erwachsener, die alle Grenzen einreißen: der Ethik, des Rechts, der Natur. Die „Ehe für alle“ ist erst der Anfang. Schon fordern die Grünen, daß die lesbische Partnerin einer Mutter statt des genetischen Vaters als zweiter Elternteil in die Geburtsurkunde eingetragen werden kann. Kinder sollen also von Geburt an zwei Mütter haben.

Daß ein Kind von Geburt an zwei Väter haben könnte, erscheint noch absurder. Aber auch das könnte kommen, wenn das Verbot der Leihmutterschaft gekippt wird. Die FDP fordert das schon, ganz im Sinne des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD). Der verrät auf seiner Homepage Tricks, wie man dieses Verbot durch Ausnutzung ausländischer Rechtsverhältnisse umgehen kann. Kinder werden aus dem Ausland quasi „importiert“ und dann Prozesse geführt, um illegale Wunsch-Elternverhältnisse nachträglich zu legitimieren.

Die Gerichte geben diesen erpresserischen Tricks zunehmend nach. Einen ersten Damm-bruch markierte das Urteil des Bundesgerichtshofs Ende 2014, das die Elternschaft zweier Männer anerkannte, die sich aus Kalifornien ein Kind von einer Leihmutter geholt hatten. Vor wenigen Tagen gab das Landgericht Hildesheim Klägern recht, die von einer deutschen Krankenkasse verlangten, die Geburt ihrer Wunschkinder in den USA zu bezahlen. Die beiden Männer hatten jeweils eigene Samenzellen in Eizellen einer Spenderin einsetzen und die beiden Embryonen von einer Leihmutter in Kalifornien austragen lassen. Es kam zu Frühgeburten, und die Kinder mußten vier Wochen in einer amerikanischen Klinik behandelt werden. Einer der beiden Männer teilte dann seiner Krankenkasse mit, daß er „überraschend Vater von Zwillingen geworden sei“, und verlangte eine Kostenerstattung in Höhe von 1.200.000 Dollar. Die Hildesheimer Richter gaben ihm recht und erklärten dabei die Illegalität der Leihmutterschaft für unerheblich. Daß diese in Deutschland eine „nicht zugelassene Methode“ ist, habe „keinen Einfluß auf die Frage, wer rechtlich als Elternteil anzusehen sei“.

Nolens volens wird das Leihmutterschaftsverbot und damit eine grundlegende Werteentscheidung des „ordre public“ ausgehebelt. Ignoriert wird der Zweck dieses Verbots: Es soll verhindern, daß Kinder zu einer Ware degradiert werden. Daß Kinder „bestellt“, „geliefert“ und bei „Qualitätsmängeln“ wieder „abbestellt“ werden, klingt nach einem Horrorszenario, ist auf dem internationalen Leihmutterschaftsmarkt aber traurige Realität. Es häufen sich die Fälle, in denen „Bestelleltern“ Kinder ablehnen, die nicht den Wünschen entsprechen, zum Beispiel, weil Behinderungen diagnostiziert wurden. Die Mütter werden im Stich gelassen oder sogar Abtreibungen verlangt. Frauen in wirtschaftlicher Not und Abhängigkeit werden als Brutkästen mißbraucht.
Solche Formen einer neuen Sklaverei erscheinen im ach so menschenrechtlichen Deutschland weit entfernt. Hierzulande bemüht sich die FDP zu versichern, daß es nur um „nicht-kommerzielle“ Leihmutterschaft gehen soll. In scheinbarer Naivität wird so getan, als ob sich Frauen aus reinem Altruismus als Brutkasten zur Verfügung stellen würden. Zugleich fordert die FDP, Alleinstehenden künstliche Befruchtungen staatlich zu subventionieren. Bei den mit Hilfe von Samenspendern erzeugten Kindern stünde dann in der Geburtsurkunde „Vater unbekannt“. Damit hätten sie von Geburt an Anspruch auf Unterhaltszahlungen des Jugendamts, und die berühmt-berüchtigte Rede von „Vater Staat“ bekäme eine neue, makabre Bedeutung. Aber der Wunsch, die Natur zu besiegen, ist eben teuer. Er erfordert den Einsatz der Reproduktionstechnologie und eben auch, daß Kinder den fälschlich so genannten „Leihmüttern“ wieder abgenommen werden.

Auf die „Ehe für alle“ folgt das vermeintliche Recht auf ein Kind für alle, das letztlich von der Gemeinschaft bezahlt werden muß. Die Emanzipation endet im Kollektivismus. Es ist der Traum der Gender-Ideologen: die Verstaatlichung der Kinder und die Abschaffung der natürlichen Familie, die als „traditionell“ denunziert wird. Dabei tarnen, tricksen und täuschen sie nach allen Regeln der Kunst. Darüber muß auch im Bundestag endlich debattiert werden.

© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co 30/18 / 20. Juli 2018
(mit freundlicher Genehmigung der Autorin)

 
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