54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Mitteilungen der Redaktion
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5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Hier läuft etwas gewaltig schief!
 
„Hier läuft etwas gewaltig schief!“

Rechtsstreit: Weil ein Schüler im schleswig-holsteinischen Rendsburg sich weigerte,
eine Moschee zu besuchen, sollen seine Eltern 300 Euro Strafe zahlen.

von
Felix Krautkrämer

Es war ein Konflikt mit Ansage. Das Gymnasium Kronwerk in Rendsburg plante im Juni während des Geographieunterrichts, eine benachbarte Moschee zu besuchen. Thema des Ausflugs: „Der Orient – Machtfaktoren Wasser und Erdöl“.  Das Vorhaben traf nicht bei allen Schülern auf Begeisterung. Die Eltern eines 13 Jahre alten Gymnasiasten wollten nicht, daß ihr Sohn die von der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ verantwortete Centrum-Moschee (JF 45/09) besucht – „aus weltanschaulichen Gründen“.

Milli Görüs wurde vom Verfassungsschutz in der Vergangenheit als islamistisch eingestuft. Zwar sollen deren extremistische Aktivitäten und Positionen in den vergangenen Jahren abgenommen haben, dennoch führt der Verfassungsschutz die Organisation weiterhin in seinen Jahresberichten auf. Die Behörde wirft Milli Görüs unter anderem antisemitische Bestrebungen vor. Auch wolle die Islamische Gemeinschaft weltliche Ordnungen durch islamisch geprägte ersetzen.

Da die Eltern des Schülers jedoch Atheisten sind, fürchteten sie nicht zuletzt wegen des Rufs von Milli Görüs eine „religiöse Indoktrination“ ihres Jungen. Das teilten sie auch der Schulleitung mit, doch die bestand mit dem Verweis auf die Schulpflicht auf den Moscheebesuch. Der Vater schlug vor, sein Sohn könne während des Ausflugs doch am Unterricht der Parallelklasse teilnehmen, doch auch das wurde abgelehnt. Er konsultierte deshalb einen Anwalt, der ihm riet, sein Kind an dem betreffenden Tag krank zu melden. Doch das wiederum lehnte die Familie ab. Ihrer Ansicht nach dürfe niemand gegen seinen freien Willen zum Betreten eines Sakralbaues gezwungen werden. Krankmelden sei keine Alternative, denn dies sei nicht die Art, wie die Familie Probleme löse. Also fehlte der Schüler am Tag des Moscheebesuchs, unentschuldigt.

Die Schule leitete daraufhin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verstoßes gegen die Schulpflicht ein. Anfang August erhielten Vater und Mutter einen Bußgeldbescheid über 300 Euro. Beide sollten jeweils eine Strafe von 150 Euro zahlen. Hiergegen legten sie Einspruch ein und wandten sich hilfesuchend an die islamkritische Bürgerbewegung Pax Europa. Dieser gehört auch der Düsseldorfer Anwalt Alexander Heumann an, der sich des Falls annahm. Nun beschäftigt der Streit die Staatsanwaltschaft Itzehoe, die entscheiden muß, ob es zum Prozeß kommt.

„Hier läuft etwas gewaltig schief“, kritisierte Heumann das Verhalten der Schulleitung und des Ordnungsamtes gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Hätten muslimische Eltern sich geweigert, ihr Kind zu einem Kirchenbesuch zu schicken, hätte sich wohl niemand getraut, sie dafür zu bestrafen.“ Nur wenn sich die Ablehnung gegen den Islam richte, werde sofort politisch korrekt durchgegriffen. Dies sei die typische Privilegierung des Islam gegenüber dem Christentum.

Ministerium sieht die Schule im Recht

 „Es kann nicht sein, daß in deutschen Schulen Kruzifixe abgehängt werden, weil sich ein Schüler daran stört und gleichzeitig werden Bußgelder verhängt, weil ein Siebtkläßler nicht in die Moschee möchte.“ Auch hätte der Sohn seiner Mandanten später von Mitschülern erfahren, daß zur Zeit des Moscheebesuchs dort auch ein Imam gepredigt habe. Heumann sieht gute Chancen, daß der Bußgeldbescheid vor Gericht keinen Bestand haben wird. Hierbei gehe es auch um eine grundsätzliche Entscheidung. Er hoffe allerdings, diese nicht bis zum Bundesverfassungsgericht ausfechten zu müssen.

Beim schleswig-holsteinischen Bildungsministerium dagegen sieht man die Schule im Recht. Es sei in dem Fall nicht um die Frage der negativen oder positiven Religionsfreiheit gegangen, sondern die Schüler hätten durch den Geographieunterricht einen „Einblick in die Kultur von muslimischen Gesellschaften“ erhalten sollen, sagte ein Sprecher des Ministeriums der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung. Der Moscheebesuch entspreche dem „grundlegenden pädagogischen Ziel“ gemäß des Landesschulgesetzes. Danach sollten die Schulen „die Offenheit des jungen Menschen gegenüber kultureller und religiöser Vielfalt, den Willen zur Völkerverständigung und die Friedensfähigkeit fördern“. Zudem werde die Rendsburger Moschee nicht mehr beobachtet. Die Schule habe also davon ausgehen können, daß es keine Bedenken des Verfassungsschutzes gebe.
© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  45/16 / 04. November 2016
 
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