54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Mitteilungen der Redaktion
2. Meine Begegnung mit S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
3. My Time with His Excellency, Archbishop Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Von verehrungswürdigen heiligen Überresten
 
Von verehrungswürdigen heiligen Überresten

von
Magdalena S. Gmehling

Ein bitterböses Wort fiel am 18. Januar 2015 in der St. Martini Gemeinde zu Bremen. Ein Wort, welches ich mich zu wiederholen hier fast scheue. Der evangelikale Pastor, Olaf Latzel, hielt im Sonntagsgottesdienst eine deutschlandweit heiß diskutierte Predigt. Bei seinen polemischen und teilweise durchaus diskussionswürdigen Ausführungen, gebrauchte er den pietätlosen Ausdruck "Reliquiendreck". Es ist bekannt, dass die Reformation sich als positiver Aufbruch des biblischen Glaubens verstand, dass sie antrat zum Kampf gegen Missstände oder das, was sie dafür hielt. Die Verehrung von Reliquien betrachtete man als abergläubische Verirrung.

Religionsgeschichtlich handelt es sich bei den „reliquiae" um Überreste von Körpern, Kleidern, Gebrauchsgegenständen großer Religiöser. Auch viele außerchristliche Religionen verehren im Sinne eines Dynamismus oder Machtglaubens Relikte ihrer Heroen. In Exodus 13, 17-19; wird berichtet, dass Israel nach 430 Jahren Ägypten erst verlassen konnte, als man die Gebeine des von seinen Brüdern so schmählich verratenen Joseph mitführte. Das Mittelalter hat diese Begebenheit legendenhaft ausgeschmückt. Demnach sei Miriam der Schwester des Mose in einer Art Trance-Zustand eine undeutbare Botschaft zuteil geworden. Sera, die hochbetagte Nichte des Joseph, entschlüsselte das Traumgesicht. Es befahl eben die Mitführung besagter Reliquien. Man begann also nach den Gebeinen zu forschen. Mit diesen aber war eine Art geheimnisvoller Segen verbunden. So habe der Pharao Josephs Leichnam zunächst im Palast bestattet und von seither Glück und Wohlergehen im Überfluss erfahren. Schließlich habe man die sterblichen Überreste aufs Feld gebracht und siehe da die Frucht vervielfältigte sich hundertfach. Eingedenk der Tatsache, dass der Nil die Lebensader Ägyptens sei, wurde der Sarg dort versenkt und schließlich in einem Bleibehälter anonym verwahrt. Finden kann diesen nur einer, der den Geruch des Paradieses wahrnehmen könne. Da dies keinem Menschen möglich war, erinnerte sich Mose an die zwei Löwen des Pharao, denen er einen unschätzbaren Dienst erwiesen hatte. Die Tiere finden die Reliquien, nachdem Miriam den vierteiligen Becher des ägyptischen Josephs (der seltsamerweise die Wahrzeichen der Evangelisten nämlich Mensch, Adler, Löwe, Stier trägt) zerbricht und in die Himmelsrichtungen wirft. Mose geleitet nunmehr in der Bundeslade persönlich die Gebeine des Joseph in das gelobte Land.

Die Reliquienverehrung der katholischen Kirche geht auf die Katakomben zurück, ja eigentlich bis in die Anfänge der Menschheit, sofern man die Verehrung des Schädels Adams mit einbezieht. Der Stammvater gilt nicht nur als Sünder, sondern auch als gesegneter Seher, Eingeweihter, Priester und Prophet. Märtyrer und deren Gräber wurden ehrfürchtig respektiert. Der Blut der Hingemordeten mit Tüchern aufgefangen. Das Bedürfnis der Person heiliger Menschen Respekt über den Tod hinaus zu erweisen, wurzelt in einem Akt natürlicher Pietät. So wurden in Grabesnähe Gottesdienste zelebriert und Gebeine in kostbaren Schreinen ausgestellt.

Keineswegs sollen hier die Verirrungen und Fälschungen des Reliquienkultes verschwiegen werden. Es gab sie und sie nahmen oft skurrile Formen an. Wir wollen unser Augenmerk allerdings auf Entscheidenderes werfen. 1994 übergab mir der Ideenhistoriker Gerd-Klaus Kaltenbrunner ein Fragment des geheimnisumwobenen Abtes Athanasius Sendlinger über heilige Reliquien. Dort heißt es:

"Drei Kräfte gehen von heiligen Reliquien aus, wobei deren Wirkung keineswegs davon abhängt, ob die Gegenstände in archäologisch-historischem Sinne völlig echt sind. Da ist zum einen der segensreiche Einfluss, den diese selbst kraft ihrer Aura spenden. Hinzu kommt die in ihnen dank jahrhundertelangen gläubigen Vertrauens und andächtigen Dienstes gespeicherte Kraft. Dieses Fluidum verstärkt die Aura, kann sie wohl auch in bestimmten Fällen ersetzen. Drittens gewährt die fromme Verehrung der einem bestimmten Heiligen zugeordneten Reliquie eine wohltätige Verbindung (Baader würde von „Rapport“ sprechen) mit dem verklärten Heiligen selbst, also eine Überbrückung des Abgrunds zwischen Himmel und Erde. Diese Gnade teilt sich nicht blind mit, sondern hängt von der Empfänglichkeit, Vorbereitung und Gesinnung des Verehrers, aber auch von kosmischen und mentalen Unwägsamkeiten ab. "

Kaltenbrunner selbst beschwört in seinem Werk "Johannes ist sein Name - Priesterkönig Gralshüter Traumgestalt" vielfach den Raum des Heiligen, der wundersam erhellt durch Edelsteinmystik und Reliquienkult, eine uns heute völlig fremd gewordene Sphäre berührt. In Kirchen, die älter als 200 oder 300 Jahre sind, finden wir dieses Wissen sozusagen verleiblicht. Vielfach befindet sich der Altar im Kreuzungsbereich geomantischer Zonen. Dort ist nicht nur der Standort des Priesters, sondern auch innerhalb des Altares der Aufbewahrungsort der Heiligenreliquien. Ihre Ausstrahlung, die inmitten energetischer Kraftfelder besonders stark ist, teilt sich der Umgebung mit. Transzendenz und Immanenz durchdringen sich. Große Architekten wie beispielsweise Balthasar Neumann oder auch begnadete Maler wie Mathias Grünewald wussten um diese Zusammenhänge. Der wahrhaft sakrale Charakter einer Kirche hilft dem Menschen das Heilige fühlbar zu erleben. Eine stufenartige, der Urkraft des Kosmos und der spirituellen Bereitschaft des Gläubigen angepasste Resonanz, umschwingt harmonisch und die unauslotbare Übergröße Gottes demütig verehrend, Zeitliches und Ewiges.

Die Zerstörung der sakralen Aura, ist wohl die eigentliche Hypothek des Destabilisierungsprozesses, den wir seit Jahren erleben. Jahrtausende alte Erkenntnisse werden vernachlässigt. Kraftträger jeglicher Art ins Abseits verbannt, geschändet und verbal geschmäht. Gnade uns Gott, wenn wir die geistigen Gesetze weiterhin missachten.

Weiterführende Literatur:
Fritz Fenzl: Wunder in Bayern. Ehrenwirth Verlag 1997 Heinrich
Reinhardt: Sacrifera sacralitas. (Privatdruck)
Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Johannes ist sein Name. Priesterkönig Gralshüter Traumgestalt. Die Graue Edition 1993
 
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