54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Mitteilungen der Redaktion
2. Meine Begegnung mit S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
3. My Time with His Excellency, Archbishop Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Wider den Ausschluss des Übernatürlichen
 
Wider den Ausschluss des Übernatürlichen

von
Léon Bloy


An einen Mathematiker:

Ihre Briefe lehren mich nichts außer dem Bankrott Ihrer Vernunft. Und wie! Mein Lieber, Sie zweifeln an der Kirche, weil es unwürdige Priester oder Gläubige gibt, von denen Sie im Übrigen nicht einmal die Anzahl kennen können. Mit anderen Worten zweifeln Sie an der Mathematik, weil Sie einen oder 377 Algebra- oder Trigonometrielehrer kannten, die Schweine waren. Ja wirklich, das ist einfach zu dumm, gestatten Sie, dass ich es Ihnen mit Liebe sage, wie ich es schon so oft zu de Groux gesagt habe, das stinkt nach zu viel Stammtischgeschwätz, nach dem Geschwätz von reisenden Erdöl- und Kuhlederverkäufern. Alles ist verzeihlich, entschuldbar, erträglich, aber man darf nicht mittelmäßig sein. Das ist unmöglich. Sie kennen keinen Priester, sagen Sie, der imstande wäre, Ihren Gehorsam zu erlangen. Warum sagen Sie mir das, mir, mein lieber Freund? Ich bin weder ein Nachbar aus dem Café noch ein Büroangestellter noch ein Feldwebel noch ein Hausmeister, ja nicht einmal einer dieser tiefgründigen Schuster, über die sich die Weisheit wundert. Ich denke, dass Sie diese Worte nicht ohne etwas Scham haben schreiben können.
Ich habe Priester gekannt, die bewundernswerte Männer waren, davon kenne ich immer noch welche und davon werde ich noch andere kennenlernen, die nur die Ehre Gottes, das Heil der Seelen und die Evangelisierung der Armen im Blick haben. Wir sind so tief gefallen, dass diese Worte grotesk geworden sind, aber ich habe keine Angst sie aufzuschreiben.

Sentimentale Einwände haben keinen Wert. Haben wir, ja oder nein, die Pflicht, Gott und der Kirche zu gehorchen? Das ist der springende Punkt. Von diesem sehr einfachen Standpunkt aus, ist der Priester nicht mehr als ein übernatürliches Instrument, ein Erzeuger des Unendlichen, und man muss schon ein Esel sein, um es anders zu sehen, denn dies alles passiert und muss passieren im Absoluten. Seit mehr als dreißig Jahren höre ich heilige Messen, die von Priestern gelesen wurden, die mir unbekannt sind, und ich beichte bei anderen, bei welchen ich nicht weiß, ob sie Heilige sind oder Mörder. Bin ich denn deren Richter und wäre ich nicht töricht, wenn ich mir anmaßte, über sie Erkundigungen einzuziehen? Mir reicht es zu wissen, dass die Kirche göttlich ist, dass sie nur göttlich sein kann und dass die durch einen schlechten Priester gespendeten Sakramente die gleiche Wirkung haben wie die durch einen Heiligen gespendeten. Ist das nicht zum Weinen, mein lieber Freund? Ich bin hier unter Kamelen, der Pein ausgeliefert, und ich muss Ihnen, einem Katholiken, diese grundlegenden Dinge schreiben, die nicht einmal einem gebildeten Ketzer unbekannt sein dürfen. Das ist traurig.

Noch eine Bemerkung, die sehr einfach ist und die, so denke ich, Ihren Geist wachrütteln wird, denn sie hat etwas Mathematisches an sich. Die protestantische Welt, die mich umgibt, ist zweifellos hässlich, mittelmäßig und so viel wie überhaupt möglich des Absoluten bar. Was ist der eigentümliche Charakter dieser Welt? Es ist der Ausschluss des Übernatürlichen, das aus dem Christentum ausgeschlossene Übernatürliche, also die unlogischste und unsinnigste Idee, die jemals in den menschlichen Kopf eindringen konnte. Die Folge davon ist die Verachtung des Priestertums, die Entwertung der priesterlichen Tätigkeit, in der allein sich das Übernatürliche manifestieren kann. Ohne die Macht zu weihen, zu binden und zu lösen, verschwindet das Christentum, um in den Ställen Luthers und Calvins einem niederträchtigen Rationalismus Platz zu machen, der noch minderwertiger ist als der Atheismus.

Auszug aus Léon Bloy: „Die heilsame Verfolgung.“ Tagebücher von 1896 - 1900, Text übersetzt von Dominik Weissenburger 2013, zitiert nach: www.kath-info.de/schlechtepriester.html

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Sein Bestes tun

(aus Leon Bloy: "Exégèse des Lieux communs")

Zum Glück gibt es diesen Ausweg: sein Bestes tun. Es ist die Zufluchtsstätte, die Rettungsinsel und der Regenschirm des Gewissens, wenn ich mich so ausdrücken darf. Wenn man gar nichts tun kann, tut man sein Bestes, unbestreitbar. Mögen Widerspruchsgeister behaupten, auch in diesem Fall wie in so vielen anderen sei das Bessere der Feind des Guten, so kann doch mit nicht geringerem Recht behauptet werden, daß das Gewissen des anständigen Menschen in der Ruhe und Untätigkeit weitaus besser geschützt ist als inmitten von Kampf und Getümmel. Wer klug jede unnütze Gefährdung meidet, bei der kein handgreiflicher Gewinn in Aussicht steht, alles Schwierige umgeht und es andern überläßt, damit fertig zu werden; ja, sich heimlich auf des Gegners Seite schlägt, falls dort größere und bestimmtere Vorteile winken, von dem kann man wahrlich sagen, er tue sein Bestes. Jede andere Taktik ist riskant und folglich töricht. Der anständige M  ensch darf sich nie bloßstellen, und sehr zu Unrecht hat man Pilatus, den anständigen Menschen per excellence, angeschwärzt, da er doch sein Bestes tat und sich die Hände wusch - wie der Priester vor dem Meßopfer. Lavabo inter innocentes manus mea, ich werde mir mit den Schuldlosen die Hände waschen.
Pilatus war der große römische Bürger, als die Römer die Herren der Welt waren. Anatole, Mitglied der Akademie und Liebling des Bürgers, ist durchaus der rechte Mann, den Ruf dieses Vielverkannten wiederherzustellen. Er würde uns zweifellos mit der ihm eigenen niederschmetternden Autorität und auf Grund seiner persönlichen Erfahrung empfehlen, nach dem Vorbild der schönen lakonischen Kürze der Römer nicht sein Bestes tun oder machen zu sagen, sondern einfach nur machen. Es würde stärker klingen und eindeutiger sein!
 
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