54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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Die Beauftragung der Apostel durch die Weiter- und Übergabe von Vollmachten
 
Die Beauftragung der Apostel
durch die Weiter- und Übergabe von Vollmachten

von
Eberhard Heller


Die Debatte um die sog. Ökumene und die Fortschritte in der Annäherung zwischen den Konfessionen - und mittlerweile auch der Religionen - hat die Frage, wie Christus seine Gründung bzw. Stiftung der Kirche aufgebaut und welche Mittel er dafür hinterlassen hat, völlig verdrängt. Man hat auch vergessen, daß die 1999 verabschiedete gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung seitens der Konzilskirche nur dadurch zustande kam, daß die dogmatischen Bestimmungen auf dem Konzil von Trient genau zu dieser Problematik ignoriert wurden, d.h. auf einer Häresie aufbaute. So wurden die guten Werke, die wir vom Glauben her aufgefordert sind zu vollbringen, ihres konstitutiven Charakters hinsichtlich der Rechtfertigung beraubt und zu reinen Akzidentien erklärt.

Während es wegen der Rechtfertigungslehre zumindest 1999 zwischen Protestanten und der Konzils-Kirche zu einer Abschlußerklärung kam, dümpelt die Diskussion über das sog. gemeinsame Abendmahl - die Begriffe Messe und Eucharistie tauchen gar nicht mehr auf! – von beiden Seiten vor sich hin. Sie wird kaum noch mit theologischen Argumenten geführt, höchstens noch mit Floskeln wie die "man kann diese Debatte den einfachen Gläubigen nicht zumuten". Dabei würde ein Einblick in die (authentische) katholische Lehre und den Katechismus Luthers hinsichtlich des angesprochenen Problems sehr schnell zeigen, daß beide Positionen grundsätzlich unvereinbar sind.

So lehrt z.B. die (authentische) katholische Kirche, daß Christus seine Apostel beauftragt hat, sein Opfer in der hl. Messe real gegenwärtig zu setzen, indem der Priester - ausgestattet mit der entsprechenden Vollmacht durch die Weihe zum (Opfer-)Priester - die Konsekration von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi vollzieht. Und so ist Christus unter den Gestalten von Brot und Wein zwar verborgen, aber real präsent.

Luther redet auch von der realen Gegenwart Christi, die in, mit und unter dem präsentierten Brot und Wein existiert. Da er aber ein spezielles Priestertum ablehnt, d.h. daß es für die als Pastoren fungierenden Personen keine besonderen Vollmachten gibt, deren Bestimmung es ist, das Opfer zu vollziehen, konstruiert er die reale Gegenwart Christi folgendermaßen: im Augenblick des Genusses des Abendmahles, also des Empfanges von Brot und Wein, verwandeln sich diese (durch die Einbildungskraft des Empfängers) in das Fleisch und Blut Christi, d.h. in der Vorstellung des Empfängers. Nicht die Vollmacht des Priesters ist hier entscheidend, sondern die subjektive Einbildung des Empfängers. Wenn man so will, "konsekriert" hier der Gläubige selbst. Und das kann er nach Luther, weil Christus ja generell omnipotent ist. "Vielmehr leitet er die Wirklichkeit dieser Gegenwart aus der fortwirkenden  Kraft der Einsetzung Christi ab und ihre Möglichkeit aus der Omnipotenz des erhöhten Gottmenschen." (Heribert Holzapfel: "Katholisch und Protestantisch" Freiburg im Breisgau 1931, S. 109; vgl. auch J. Kunze: "Symbolik" Leipzig 1922, S. 190)  

Während nach katholischer Lehre Christus in der konsekrierten Hostie real präsent ist und deswegen im Tabernakel die Anbetung der Gläubigen empfängt, verschwindet die Realität der Gegenwart Christi nach dem Empfang, d.h. sobald der Gläubige die Vorstellung von der Gegenwart Christi fallen läßt. Der Gläubige selbst zapft gleichsam die fortwirkende  Kraft der Einsetzung Christi an. Auch wenn Luther „die Sakramente als objektive Träger der göttlichen Gnade erklärt, wobei allerdings der katholische Begriff des Wirkens ex opere operato [d.h. durch die vollzogene Handlung, „das, was durch das Tun an sich geschieht“ heißt: Etwas wirkt unabhängig von der Einstellung dessen, der es tut, und unabhängig von der Einstellung dessen, an dem und für den es getan wird] immer abgelehnt wurde, hauptsächlich wohl deshalb, weil man darin irriger weise die Vorstellung einer magischen Wirkungsweise vermutete. Nach protestantischer Lehre wird die den Sakramenten innewohnende Kraft nur durch den Glauben des Empfängers in dessen Seele wirksam, wobei weder der Gnadenstand noch die Intention des spendenden Priesters irgendwelchen Einfluß besitzt.“ (Konrad Algermissen: „Konfessionskunde“ Hannover 1939, S. 785 f.: vgl. dazu auch: „Dr.. Martin Luthers Großer Katechismus“ Güthersloh 1951, S. 142 ff.) Auf der einen Seite wird ein objektives Gut - die Realpräsenz Christi - durch den zum Opfern bevollmächtigten (Opfer-)Priester erstellt, wogegen es bei Luther um einen Vorgang des Vorstellens, des Einbildens geht. Man sieht, daß es keine Übereinstimmung in den theologischen Positionen gibt und daß es bei einem solchen Gegensatz auch keinen Kompromiß geben kann… will man nicht um der Einheit willen die Wahrheit opfern. Aber das geschieht andauernd.

Während oben die Lehrunterscheidungen zwischen katholischer Meßtheologie und lutherischer Abendmahlslehre artikuliert wurden, wurde aber auch zugleich ein Prinzip angesprochen, wie Christus seine Kirche aufgebaut hat, und auf welchem ihre weitere Existenz gesichert werden sollte, nachdem er diese Erde wieder verlassen wollte, um in den Himmel aufzufahren. Dieses Prinzip soll im folgenden thematisiert werden, um zugleich auch die damit verbundene Problematik aufzuzeigen.

Christus hatte sich in diese Welt eingefleischt, ist Mensch geworden ("et incarnatus est et homo factus est" (Glaubensbekenntnis), er hat als Gott-Mensch unter uns gewohnt, "er war seinen Eltern untertan“ (Lk. 2,51), d.h. er hat in der Werkstatt seines Ziehvaters, des Schreiner Joseph Holzspäne aufgekehrt, um dann mit 30 Jahren drei Jahre öffentlich zu wirken, um schließlich am Kreuz für unsere Sünden zu büßen. "Er wurde für uns zur Sünde" (2. Kor. 5,21), um diese Sühneleistung vollbringen zu können. Damit wurde der Weg frei für uns, wenn wir nach unseren Verfehlungen wieder in den Neuen Bund mit Gott eintreten wollen.

40 Tage nach seiner glorreichen Auferstehung, durch die er die Schrecken des Todes endgültig überwunden und so gleichnishaft den Menschen Hoffnung auf ewiges Leben gegeben hatte, hat Christus die Erde wieder verlassen, auf der er als Mensch unter uns gelebt hatte. Er ist in den Himmel aufgefahren, wo er zur Rechten des Vaters sitzt, um dereinst Gericht zu halten, nicht ohne die Apostel zu beauftragen, sein Werk fortzusetzen: "Gehet in alle Welt und predigt das Evangelium" (Mk. 16,15) Und: "Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe." (Matth. 28,19 f.) "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern. Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ (Mt 28, 18-20) Vor seiner Himmelfahrt hatte Christus also seine Apostel beauftragt, das von ihm initiierte Werk fortzusetzen, um die Menschheit zum ewigen Heil zu führen. Ein Doppeltes ist damit verbunden: die Missionierung und das Hineingliedern in seine Kirche durch die Taufe.

Die Gründung seiner Kirche als Heilsanstalt hatte er seinen (ausgesuchten) Aposteln übertragen, die sein Institut zur Sicherung des Heils bis zum Ende der Zeiten verwalten und weiterführen sollten. Dabei bleibt Christus das unsichtbare Oberhaupt der Kirche, der „alle Tage bis an das Ende der Welt“ bei uns bleibt. Er ist der Herr, der Kyrios!
„Unter der Kirche auf Erden verstehen die Katholiken die von Christus gestiftete sichtbare Gemeinschaft aller Gläubigen, in welcher die von ihm während seines irdischen Lebens zur Entsündigung und Heilung der Menschheit entwickelten Thätigkeiten unter der Leitung seines Geistes bis zum Weltende vermittelst eines von ihm angeordneten, ununterbrochen währenden Apostolates fortgesetzt und alle Völker im Verlaufe der Zeiten zu Gott zurückgeführt werden.“ (Dr. J. A. Möhler: „Symbolik“, Regensburg 1909, S. 331)

Man könnte sich auch vorstellen, Christus wäre nach der Auferstehung von den Toten auf der Erde geblieben, um selbst die Führung der Kirche in die Hand zu nehmen, bis zu dem Tag, an dem das Ende alles Irdischen eintreten sollte. Das hätte den Vorteil gehabt, daß alle menschlichen Schwächen diesem Heilsinstitut erspart geblieben wären. Aber Christus hat das Risiko möglicher Fehlentwicklungen, von denen die Geschichte der Kirche viele Beispiele aufführen kann, in Kauf genommen, nachdem er die Apostel mit bestimmten Aufträgen und Vollmachten ausgestattet hatte, damit diese seine Gründung als Heilsinstitut authentisch und mit dem Beistand des Heiligen Geistes weiterführen sollten. Neben dem Anvertrauen seiner Lehre hatte er ihnen auch Gnadenmittel hinterlassen, die sieben Sakramente, damit die Menschen schon auf ihrem irdischen Weg die Anteilnahme am Leben Gottes erfahren sollten.

Wie ist nun diese Beauftragung zu verstehen? Woher nehmen die Beauftragten - zunächst die Apostel und dann ihre Nachfolger, die wiederum per Delegation die von Christus vergebenen Vollmachten übernommen haben - die Sicherheit, den Auftrag Christi authentisch durch die Zeit, also bis ans Ende der Welt erfüllen zu können.
Um jedoch die Komplexität, die bei der Beauftragung der Apostel ins Spiel kommt, zu verstehen, versuche ich zunächst die verschiedenen Möglichkeiten einer Beauftragung aufzuzeigen, um dann die spezifische Beauftragung durch Christus hervorzuheben.

Eine Beauftragung  oder Aufforderung kann grundsätzlich nur funktionieren, wenn zwischen Aufforderndem und dem Aufgeforderten darüber Übereinstimmung herrscht, daß zwischen ihnen ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis besteht, welches von beiden Seiten auch anerkannt wird. Mit Beauftragung kann gemeint sein, daß eine andere Person meinen Willen übernimmt und ihn in die Tat umsetzt. So befiehlt z.B. ein Arbeitgeber einem seiner Angestellten oder Mitarbeiter eine bestimmte Arbeit auszuführen. Oder ein Vater fordert seinen Sohn auf, einem Nachbarn bei der Ernte zu helfen. In beiden Fällen kann die Beauftragung gelingen, weil derjenige, der den Auftrag erteilt, Autorität besitzt, die im Falle des Arbeitnehmers vertraglich geregelt ist. Die autorisierte Person delegiert eine Handlungsanweisung an jemanden, der sie auch als solche anerkennt.

Eine andere Beauftragung kann darin bestehen, daß z.B. ein Volk oder eine Nation eine Führung wählt, damit sie das Volk regiert. Das Volk als Souverän wählt seine Führung, die dann ihrerseits wieder berechtigt ist, Macht an andere zu delegieren. Um ein weiteres Beispiel anzuführen: Ein höherer Beamter, der z.B. von seiner Regierung dazu bevollmächtigt ist, einer kompetenten Person wiederum ein besonderes Amt zu übertragen. Der Justizminister leitet die Wahl von Bundesrichtern ein oder der Gerichtspräsident ernennt einen Richter. Diese Übertragung eines Amtes an eine Person ist nicht einfach eine Handlungsanweisung, sondern sie ist verbunden mit der Vollmacht (unabhängig) zu richten. Der Richter hat wiederum die Autorität über die richtige Anwendung und Ausdeutung des Rechtes. Der Ernannte hat auch das Recht, die Beauftragung abzulehnen.

Wie ist es aber, wenn dieses Abhängigkeitsverhältnis zwischen Aufforderndem und Aufgefordertem nicht vorherrscht, wenn beide Seiten unabhängig sind, ich aber dennoch will, daß mein Wollen, meine Idee von einer anderen Person übernommen wird? Kann ich da von einer Beauftragung im eigentlichen Sinn reden? Es handelt sich in diesem Fall eher um einen Appell, wobei ich hoffe, daß mein Wille, meine Einstellung von der anderen Person übernommen wird.

Ein ähnliches Verhältnis herrscht z.B. vor zwischen Lehrer und Schüler, zwischen Professor und Student. Sie unterstellen sich freiwillig, weil sie die Differenz von wenig Wissen (Schüler, Student) und mehr Wissen (Lehrer und Professor) anerkennen und von dem "mehr" profitieren wollen.

Wir können also allgemein unterscheiden:
–    Aufträge, die eine einfache Handlungsanweisung beinhalten,
–    Aufträge, die eine besondere Disposition (Kompetenz) des Beauftragten voraussetzen.

Welche Art von Aufträgen hat nun Christus seinen Aposteln zur Führung seiner Kirche gegeben? Da Christus davon ausgehen konnte, daß sich die Apostel ihm unterstellten, konnte er seine Aufforderung als Aufträge geben.
Hier können wir auch unterscheiden zwischen:
– Aufträgen, die eine Handlungsanweisung meinen.
– a) zur Leitung der Kirche. Wenn Christus z.B. zu Petrus spricht: "Weide meine Lämmer!(…)…Weide meine Schafe" (Joh 21,15-17), oder „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Mt. 16, 18), dann ist das eine klare Handlungsanweisung.
– b) zur Verkündigung der Lehre (Lehrauftrag zur Missionierung der Menschen): „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer glaubet und sich taufen läßt, wird gerettet  werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ (Mk. 16, 15 f.)
– Aufträge, mit denen besondere Vollmachten verbunden sind.

Nun gibt es einen Bereich von Beauftragungen, die im Leben der Kirche einen sehr wichtigen Bereich einnehmen und die mit besonderen Vollmachten an die Apostel verbunden sind. Wenn Christus zu Petrus spricht: „Dir werde ich die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt. 16,19), dann geht es nicht um eine einfache Handlungsanweisung, wie wenn Christus spricht "Weide meine Lämmer!(…)…Weide meine Schafe" (Joh 21,15-17), sondern um einen Auftrag, der spezielle Vollmachten für diese spezielle (priesterliche) Tätigkeit voraussetzt, nämlich die Gewalt zu binden und zu lösen, Sünden zu vergeben oder sie den betroffenen Personen zu behalten.

Im Falle der Apostel waren sie davon überzeugt, daß Christus Gottes Sohn ist und daß er auch berechtigt war, mit den Beauftragungen auch die Vollmachten, die er an sie band, auch selbst inne hatte:
–    die Vollmacht, Sünden zu vergeben, ("Empfanget den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden nachlasset, dem sind sie nachgelassen; wem ihr sie behaltet, dem sind sie behalten"  - Joh 20, 22 f.),
–    Brot und Wein in sein Fleisch und Blut zu verwandeln,
–    die Vollmacht, diese Vollmachten an weitere Amtsträger (Priester) wiederum weiterzugeben.

So stellt der Auftrag im Abendmahlssaal am Gründonnerstag "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tuet dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22, 19) einmal dar, was Christus selbst tut, sich selbst zur Speise zu reichen, indem er - sich selbst opfernd - Brot und Wein in sein Fleisch und Blut verwandelt. ("Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tag" (Joh 6, 54).) Denn ihm "ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden [vom Vater].“ (Mt 28, 18) Zum anderen heißt das, auch das weiterhin zu tun, was Christus gerade selbst getan hat. Aber das setzt voraus, daß er ihnen die Vollmacht verliehen hat, Brot und Wein in sein Fleisch und Blut zu verwandeln, d.h. die Transsubstantiation zu vollziehen. Darüber hinaus heißt dieser Befehl aber auch, die empfangene Vollmacht auf andere Personen übertragen zu können, um das Opfer durch die Zeiten hindurch zu vollziehen.

Was hier interpretativ gewonnen wurde und das eher andeutet, was Christus im Abendmahlssaal dann noch vermittelt und übertragen hat, nämlich die Weihe der Apostel zu Priestern und Bischöfen anhand der biblischen Stelle "Tuet dies zu meinem Gedächtnis", wird in den Visionen der Anna Katharina ausführlich geschildert: "Jesus hielt nun noch eine Geheimlehre; er sagte ihnen, wie sie das heilige Sakrament fortsetzen sollten zu seinem Gedächtnis bis ans Ende der Welt (…). Dann aber lehrte er sie vom Priestertum und der Salbung und der Bereitung des Chrismas und der heiligen Öle. Es standen drei Büchsen, zwei mit verschiedenem Balsam und Öl, und auch Baumwolle bei dem Kelchapparat; man konnte sie aufeinander stellen. Er lehrte sie viele Geheimnisse darüber, wie die Salbe zu mischen, an welchen Stellen des Leibes sie anzuwenden und bei welchen Gelegenheiten. (…) Er sprach von verschiedenen Salbungen, auch von jener der Könige, und wie selbst ungerechte Könige, welche gesalbt seien, eine innere geheimnisvolle Gewalt vor andern besäßen. Er tat aber von der zähen Salbe und dem Öl in die leere Büchse und mischte beides (…). Ich sah hierauf, daß Jesus den Petrus und Johannes salbte, welchen er bei der Einsetzung des heiligen Sakraments auch von dem Wasser, das über seine Hände geflossen war, über die ihrigen gegossen hatte, und die den Kelch, von seiner Hand gehalten, getrunken hatten. Er schritt aus der Mitte des Tisches etwas zur Seite, legte dem Petrus und Johannes die Hände zuerst auf die Schultern und dann auf das Haupt. Sie mußten hierauf die Hände zusammenlegen und die Daumen kreuzen. Der Herr bestrich ihnen, die vor ihm sich tief beugten, ich weiß nicht, ob sie knieten, die Daumen und ersten Finger mit der Salbe und machte ihnen damit ein Kreuz auf das Haupt. Er sagte ihnen auch, dieses solle bis ans Ende der Welt bei ihnen bleiben. Auch Jakobus Minor, Andreas, Jakobus Major und Bartholomäus erhielten Weihen. Ich sah auch, daß der Herr dem Petrus die schmale Zeugbahn, welche sie um den Hals trugen, über der Brust kreuzweis verschlang und den andern von der rechten Schulter unter dem linken Arm quer über die Brust legte. Doch weiß ich nicht mehr bestimmt, ob dieses schon bei der Einsetzung des heiligen Sakraments oder erst jetzt bei der Salbung geschah. Ich sah aber - wie, das ist unaussprechlich -, daß Jesus ihnen durch diese Salbung etwas Wesentliches und zugleich übernatürliches gab. Er sagte ihnen auch, nach dem Empfange des Heiligen Geistes würden sie zuerst Brot und Wein selbst konsekrieren und auch die andern Apostel salben. Ich hatte hiebei einen Blick, wie Petrus und Johannes am Pfingstfest vor der großen Taufe den andern Aposteln die Hände auflegten, und daß acht Tage nachher dasselbe mehreren Jüngern geschah. (…) Alles, was Jesus bei der Einsetzung des heiligen Abendmahles und der Salbung der Apostel tat, geschah sehr geheim und ward auch nur als Geheimnis fortgelehrt und ist bei der Kirche bis heutzutage wesentlich geblieben, jedoch durch Eingebung des Heiligen Geistes nach ihren Bedürfnissen erweitert worden. (…) Ob Petrus und Johannes beide zu Bischöfen oder nur Petrus zum Bischof und Johannes zum Priester gesalbt wurden und welchen Grad von Würde die vier andern erhielten, vergaß die Erzählerin zu bemerken. Die verschiedene Art, wie der Herr dem Petrus und den andern die schmale Zeugbahn um den Hals schlang, scheint auf verschiedene Grade der Weihe zu deuten." (Anna Katharina Emmerich: "Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi" Aschaffenburg 1962, S. 86 ff.)

Wie ist nun diese Übertragung priesterlicher Vollmachten zu verstehen? Phänomenologisch  betrachtet: Christus sagt den Aposteln: Weil ich es sage, weil ihr es sollt, könnt ihr es auch. „Du kannst, weil du sollst – weil ich dir meine Kraft übertrage, dies zu tun! “Inhaltlich gesehen: Christus, dem „alle Gewalt gegeben ist“ (Mt 28, 18), pflanzt seine Vollmacht der Konsekration und der Vollmacht, Sünden zu vergeben, in die beauftragten Apostel ein, er überträgt sein Vermögen auf die Apostel, d.h. daß diese nicht nur in seinem Auftrag, sondern an seiner Stelle, als seine Stellvertreter, in persona Christi handeln.

Mit der Annahme der Übertragung besonderer (priesterlicher) Vollmachten, die deswegen angenommen werden können, weil sie von Christus als dem Sohn Gottes garantiert werden, wird aber auch eine Vollmachtsübertragung angesprochen, die nicht nur nicht bezweifelt, sondern auch geleugnet und abgelehnt wurde. Davon zeugen zum einen die Hostienwunder, bei denen konsekrierte Hostien zu bluten begannen -  im Kloster Andechs/Oberbayern wird eine solche versiegelt aufbewahrt -, um so die Zweifler eines besseren zu belehren. Luther, der wie bereits angesprochen ein spezielles Priestertum mit der Vollmacht, das Opfer zu vollziehen, ablehnte, ließ eine solche Beauftragung mit der Einpflanzung von Christi Vermögen nicht gelten. Aber was hatte er damit gewonnen, wenn er gleichsam die Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi in die Seele des Gläubigen legte? ... eine Lösung, für die es in der damaligen theologischen Literatur meines Wissens keinen Beleg gibt.

Fassen wir zusammen: Mit der Beauftragung, sein Selbst-Opfer unblutig auch weiterhin in der Messe zu vollziehen bis an das Ende der Welt, hat Christus seinen Aposteln nicht nur einen Auftrag gegeben, sondern auch die spezifischen Vollmachten, dieses Opfer darzubringen, welches nach der Lehre der Kirche das spezielle Priestertum beschreibt. Dazu gehört dann auch, daß diese priesterliche Vollmacht nicht nur von dem Beauftragten (Apostel) angewandt, sondern auch (durch den Bischof) auf andere Personen via Weihe übertragen werden kann. Der Auftrag ist zeitlich und räumlich nicht begrenzt, er gilt universell:
– Als Missionsauftrag besagt er, daß die Apostel und ihre Nachfolger die Menschen durch die Verkündigung des Evangeliums zu Christus bekehren sollen.
– Als Auftrag, die Kirche als Heilsinstitution aufzubauen, verlangt er eine hierarchische Struktur, die u.a. die Fortsetzung ihrer selbst ebenso beinhaltet wie die unmittelbare Ausspendung ihrer Heilsgüter, der sieben Sakramente: Diese sichern den Gläubigen die unmittelbare Anteilhabe am Leben Gottes schon in dieser Welt:

– Die Taufe, in der der Mensch  durch das Wasser von der Erbsünde und allen Sünden rein gewaschen und in die Kirche aufgenommen wird.
– Die Firmung, die durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes Teilhabe an der göttlichen Wahrheit gibt.
– Die Eucharistie verleiht die unmittelbare Vereinigung mit dem verborgenen Christus.
– Die Ehe, die sich speisen soll aus der Liebe, die Christus geschenkt hat.
– Die Buße als Ort des Sündenbekenntnisses und der Wiederversöhnung mit Gott.
– Die letzte Ölung, in der dem Kranken die Gnade Gottes zum Heil der Seele gereicht wird.
– Die Priesterweihe, durch die dem Empfänger die Vollmacht übertragen wird, in persona Christi zu handeln.

Die Ausbreitung dieser Botschaft und der Aufbau der Kirche, d.h. auch die Verwaltung dieser Vollmachten, sollen für die gesamte Welt gelten, wobei die Zuständigkeit für die Gläubigen durch die Leitung der Kirche geregelt werden soll.

Dieses Anvertrauen spezifischer Opfer-Vollmachten – die Kraft, Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi zu verwandeln – anzunehmen, ist eine Sache des Glaubens, der beim Vollzug des Opfers auch direkt angesprochen wird: Bei der Konsekration des Kelches heißt es: „Hic est enim Calix Sanguinis mei, novi et aeterni testamenti: mysterium fidei“ („Das ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes: Geheimnis des Glaubens“.) Dieser Hinweis, daß es sich um ein Geheimnis des Glaubens handelt, bezieht sich zwar unmittelbar auf den Akt der Transsubstantiation, aber implicite auch auf die Vollmacht dessen, der diesen Akt vollzieht: den Priester.

Es wurde schon viel über die Gültigkeit der Priesterweihe, einer Weihe gesprochen, die legitimerweise nur im Auftrag der Kirche gespendet werden darf, um dem Auftrag Christi gerecht zu werden. Diese Verleihung von Vollmachten wird in objektiver Hinsicht angenommen. Der Priester hat die Vollmachten bekommen, er kann sie auch anwenden. Die Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi wird als objektiver Vorgang angesehen. Sie bewirkt ein objektives Gut. Denn unter den Gestalten von Brot und Wein ist (und bleibt) Christi Fleisch und Blut real präsent.

Aus dieser Beauftragung "Weide meine Lämmer! (…) Weide meine Schafe!" und der Übertragung der Wandlungs-Vollmacht läßt sich dann auch die Konzeption der Kirche als Heilsinstitution erkennen. Christus wollte die Kirche nicht nur als eine Bekenntnisgemeinde gründen, die sein Evangelium annimmt, sondern er traf auch Fürsorge, daß die Gnaden aus seinem Opfertod durch die Zeit hindurch von den Gläubigen adaptiert werden können, weil es Priester gibt, die als "alter Christus" ihnen dieses Gnadenmittel und andere spenden können. Dieses setzt die Installation einer Verwaltungseinrichtung voraus, die die Ausspendung der Gnadenmittel gewährleistet: die Kirche als Heilsinstitution.
 
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