Mitteilungen der Redaktion
Beuerberg, den 31.8.2015
Verehrte Leser,
als ich in der EINSICHT vom September 2013 damit begonnen hatte, die Hauptirrtümer des Vatikanums II zu analysieren, war mir bald klar, daß eine religiöse und theologische Renaissance nur dadurch angestoßen werden würde, wenn die Möglichkeit einer fundierten Überzeugung in dieser Hinsicht gefunden würde. Denn was war passiert? Der Glaube an Jesus Christus und seine Gründung, die Kirche, die sein Erbe unversehrt bewahren sollte, waren einem unscharfen Relativismus gewichen. Die Vorstellung, Christus sei der Sohn Gottes, war ins Wanken geraten, wobei dieser Relativismus nicht auf die einst katholische Bevölkerung beschränkt blieb. Man hatte den Absolutheitsanspruch des Gottes-Sohnes aufgegeben. Ich denke an die subsistit-in-Lehre, wonach die katholische Kirche nicht mehr die Kirche Jesu Christi ist, sondern nur noch Anteil nimmt an ihr - ich ergänze: wie andere Religionsgemeinschaften (Sekten) auch, die damit auf die Ebene gleichberechtigter Kirchengemeinschaften gehoben wurden. Ich hatte es so formuliert: Wenn alles gleich gültig ist, wird alles gleichgültig, beliebig. Ein neuer Arianismus begann zu triumphie-ren, wobei es nicht primär um die theologische Auffassung ging, sondern vornehmlich um den Verlust einer Grundüberzeugung mit unmittelbaren Folgen für das religiöse Leben. In den bayrischen Dörfern, wo die Traditionen in den Herzen der Menschen weiterleben, schien die Welt noch in Ordnung. Wenn man aber genauer hinschaute, ihre religiösen Traditionen hinterfragte, blieb ein moralisches Gerüst übrig, das auch nichts mehr weiß von der Gottes-Sohnschaft Jesu Christi.
Aber auch in den Kreisen der Traditionalisten - und da schließe ich einmal unscharf alle ein, die vorgeben, am vorkonziliaren Glauben festhalten zu wollen, zeigt sich immer deutlicher, daß es in diesen Kreisen auch erhebliche Glaubensdefizite gibt, was sich dadurch zeigt, daß das Ausmaß der Krise kaum richtig eingeschätzt wird und daß es keine Anstrengungen gibt zur Restitution der Kirche. Nach dieser Beschreibung eines allgemeinen Desasters stellt sich die Frage, was man tun kann, um einer solchen Situation zu begegnen. Zurück zu den Quellen, ad fontes!, um von da den weiteren Weg neu zu bestimmen. Ad fontes bedeutet konkret, den Weg zu Christus als Gottessohn aufzuzeigen, um überhaupt wieder eine christliche Glaubensüberzeugung zu gewinnen.
Eine solche kann ich durch intuierende Meditation gewinnen, indem ich u.a. mich auf die biblischen Aus-sagen stütze. Derjenige, der sie gewonnen hat, kann jedoch sein Intuieren nicht an andere vermitteln. Anders ist es, wenn ich auf dem Weg der Reflexion versuche, eine Überzeugung zu erreichen, indem ich die anderen in meine Überlegungen mit hineinnehme. Die Frage lautet, wie weiß ich um die Gottessohn-schaft Christi bzw., wie kann ich Christus als Gottes Sohn erkennen. In den Mitteilungen zum Heft vom Dezember 2013 hatte ich geschrieben: "[O]hne eine Klärung dieser Frage, die bisher vernachlässigt wur-de, fehlte uns die reflexive Einsicht in unseren Glauben, aus der dann auch eine feste Glaubensüberzeu-gung erwachsen könnte. Hier gilt die Maxime des hl. Anselm von Canterbury Credo ut intelligam – Ich glaube, damit ich einsehe -, auch in der Umkehrung: Intelligo ut credam – Ich sehe ein, damit ich glaube“ (Proslogion, Kap. 1) Das unmittelbar Eingesehene, das, was sich mir im Glauben unmittelbar offenbart, ist die Grundlage, auf die mein Denken zugreift. Aber ich muß, um diesen Glauben zu halten, ihn verstehen.
Die Frage nach der Erkennbarkeit Christi als Sohn Gottes habe ich dann in mehreren Artikeln sukzessive versucht zu beantworten. Durch die Verteilung auf mehrere Hefte ist jedoch für viele der innere Zusammenhang verloren gegangen. Nach etlichen Überlegungen haben ich mich deshalb entschlossen, die einzelnen Aufsätze in einem Heft zusammenzufassen. Die bisherigen Beiträge werden ergänzt durch eine Abhandlung über die Auswirkungen, die von einer gewonnen Gotteserkenntnis auf die Gestaltung unseres religiösen Lebens ausgehen könnten. Als Anhang habe ich hinzugefügt die Gedanken aus den Sermones über "Gott in uns haben" des hl. Bernhard (Dez. 2014, Nr. 4, S. 108-110) und meine Überlegungen über die „Bedeutung der Kunst im religiösen Bereich“ (Dez. 2013, Nr. 4, S. 122-125)
Ich möchte noch eine persönliche Bemerkung anfügen. Ich sehe in dieser Aufsatzserie über die Gotteserkenntnis meinen wichtigsten Beitrag, den ich in all den Jahren meiner Redaktionsarbeit für die EINSICHT verfaßt habe. Leider kenne ich keinen lebenden theologischen Autor, der sich diesem Thema in dieser umfassenden Form gewidmet hat. Durchreflektiert wurde dieses Problem meines Wissens hier zum ersten Mal, nachdem ich dieses Thema bereits 1993 schon einmal in einem kleinen Kreis behandelt hatte.
Eberhard Heller
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Titelbild: Hans Pleydenwurff, Auferstehung, Hofer Altar, 1465, Alte Pinakothek München Foto: Heller Redaktionsschluß: 31.8.2015
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