DER BERG, DER DIE GANZE ERDE BEDECKT (DAN. 2,35)
von H.H. Walter W.E. Dettmann
König Nabuchodonosor von Babylon hatte im zweiten Jahre seiner Regierung einen Traum, der ihn sehr erschreckte. Als er aber erwachte, wußte er nicht mehr, was er im Traum gesehen hatte. Da ließ er alle Weisen und Wahrsager kommen, damit sie ihm sagen sollten, was er geträumt habe und was der Traum bedeute. Die Wahrsager erwiderten ihm: "Kein Mensch kann sagen, was du geträumt hast. Erzähle uns den Traum; dann werden wir dir sagen, was er bedeutet". Da wurde Nabuchodonosor zornig und befahl, die Wahrsager hinzurichten. Als der Prophet Daniel davon hörte, bat er den König, er möge ihm Zeit lassen, dann werde er ihm den Traum kundtun. Nachdem er mit seinen Freunden gebetet hatte, zeigte ihm Gott den Traum des Königs.
Daniel ging zum König zurück und sprach: "Das Geheimnis, das der König wissen will, vermag kein Mensch kundzutun. Doch im Himmel gibt es einen Gott, der die Geheimnisse enthüllt. Er macht dir bekannt, was geschahen wird. Du, o König, hast im Traum eine große Statue gesehen. das Haupt war von Gold, die Brust und die Arme waren aus Silber, der Bauch und die Hüften aus Erz, die Beine aus Eisen und die Füße teile aus Eisen teile aus Ton. Da wurde ohne Zutun menschlicher Hände ein Stein von der Höhe eines Berges losgerissen ("Abacissus est lapis de monte sine manibus") und stieß an die Füße der Statue. Diese wurde ganz zu Staub zermalmt und vom Winde verweht. Der Stein aber wurde zu einem Berge, der die ganze Erde bedeckte. Dieser Traum ist nun ao zu deuten: Du bist der König der Könige; der Gott des Himmels hat dir Herrschaft, Macht und Ruhm gegeben: Du bist das Haupt von Gold. Nach dir wird ein anderes Reich erstehen, geringer Als das deinige, ein Reich von Silber. Ein drittes Reich ist von Erz; es wird sich über die ganze Erde erstrecken. das vierte Reich wird sein wie Eisen. Wie das Eisen alles zertrümmert, so wird auch dieses Reich alles zerschmettern. Doch zugleich wird es auch schwach sein. Darum hast du die Füße teile aus Eisen teils aus Ton gesehen. Die Zehen der Füße waren teil" aus Eisen, teile aus Ton. Zuletzt aber wird Gott ein Reich errichten, das alle jene Reiche vernichtet; dieses Reich wird in Ewigkeit bestehen; das bedeutet der Stein, den du gesehen hast".
Die Weissagung Daniels bezog sich auf das babylonische Reich des Nabuchodonosor, ferner auf das persische Reich des Cyrus, dann auf das Reich Alexandes des Großen und schließlich auf das gewaltige römische Imperium, das am Schluß geteilt und von der weltumspannenden geistigen Herrschaft der katholischen Kirche abgelöst wurde.
Schon der heilige Irenäus, Bischof von Lyon, der um das Jahr 200 als Blutzeuge starb, bezog den Traum des Nabuchodonosor auf die Zerstörung des römischen Reiches. Um das Jahr 180, also in einer Zeit, in der die Donau von Kelheim über Regensburg bis nach Wien und Preßburg (Carnuntum) noch als sichere Grenze des römischen Reiches angesehen wurde, sagte er, der Stein, der sich ohne Zutun von menschlichen Händen von oben losriß, sei Christus, der ohne Zutun eines Mannes Mensch geworden sei (adv. Haer. III.21). Dieser Stein werde die irdischen Reiche zerschmettern und in Staub verwandeln (adv. Haer. IV. 20) und werde die ganze Erde bedecken.
Irenäus nennt unter den zerschmetterten Reichen das römische Imperium wohlweislich nicht mit Namen. Aber es ist offenkundig, daß er dieses im Auge hat. Jenen Christen, die in der Apokalypse des Apostels Johannes den unter der geheimnievollen Zahl 666 verborgenen Namen genau berechnen wollten, sagte er, sie sollten erst einmal die angekündigte Teilung des römischen Reiches, das heißt die Teilung in einen Fuß mit fünf Zehen aus Eisen und einen solchen mit fünf Zehen aus Ton abwarten (adv. Haer. V. 26 und V. 30).
Die Weissagung Daniels schloß mit den Worten: "Der Gott des Himmels wird ein Reich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört werden und keinem anderen Volke übergeben werden wird. Es wird alle bisherigen Reiche sich einverleiben ("consumet") und selbst in Ewigkeit bestehen" (Daniel 2,44). Damit ist die von Jesus Christus, dem Sohne Gottes. gegründete katholische Kirche gemeint, wie es die alten Kirchenlehrer übereinstimmend bekunden. Aber stimmt diese Weissagung des Propheten Daniel heute noch? Scheint die Deutung der alten Kirchenlehrer heute nicht von den Ereignissen überrollt zu werden?
Der Stein, der sich ohne Zutun menschlicher Hände von oben losgerissen und die vier alten Weltreiche in Staub verwandelt hatte und zu einem erhabenen, ewigen Berge wurde, wird jetzt im 20. Jahrhundert selbst innerlich ganz verwandelt, und zugleich treten riesige neue Weltreiche an seine Stelle: Die gewaltigen Reiche des Kommunismus, der mit einem nie gekannten Haß jede Religion bekämpft, und die anderen Reiche der modernen Gottlosigkeit verdrängen den Berg des Propheten Daniel so rücksichtslos, daß von seiner früheren weltbeherrschenden Rolle nichts mehr übrig bleibt.
Viele Katholiken meinen, die gegenwärtige innere Krise der Kirche sei nur eine vorübergehende Sache; sie werde überwunden werden, und dann werde die römisch-katholische Kirche die geistige Auseinandersetzung mit der modernen Gottlosigkeit ebenso siegreich bestehen, wie sie das alte römische Heidentum nach dreihundertjährigem geistigen Ringen siegreich bezwungen habe. Aber diese Meinung ist ein Irrtum.
Denn der Berg des Propheten Daniel wird nach seiner jetzigen inneren Zersetzung und Veränderung nicht noch einmal die ganze Erde bedecken wie in früheren Zeiten. Der Zerfall des geheimnisvollen Berges beruht nämlich auf einer Gottlosigkeit, die das Merkmal des letzten Aufstandes gegen den Allerhöchsten trägt. Dies wird von den wenigsten Katholiken der heutigen Zeit erkannt.
Daniel hatte zu König Nabuchodonosor gesagt: "Der Gott des Himmels wird ein Reich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört und keinem anderen Volke übergeben werden wird".
Die eigentliche Aufgabe dieses Reiches war es, daß "dem Gott des Himmels" täglich jenes heilige Opfer dargebracht würde, das er selbst bestimmt hatte: Vom Aufgang bis zum Niedergang, das heißt immer und überall auf der Erde, sollte sein eigener eingeborener Sohn Jesus Christus unter den Gestalten von Brot und Wein das Opfer an die erhabene göttliche Majestät sein.
Gerade dieses unaussprechlich heilige Opfer will der "Berg" des Propheten Daniel in der fast geschlossenen Gesamtheit seiner höheren Vertreter nicht mehr darbringen.
Seit dem sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzil geben die kirchlichen Würdenträger die Parole aus, sie hätten bisher mehr als vierhundert Jahre lang etwas falsch gemacht, das nun liturgisch reformiert werden müsse und zwar nicht nur in nebensächlichen Dingen, sondern in der Hauptsache. Denn es handle sich nicht um das unblutige Opfer von Golgotha, sondern um ein gemeinschaftliches Mahl.
Der große Gottesberg des Propheten Daniel ist heute innerlich erschüttert durch einen totalen Abfall von seiner eigentlichen Aufgabe; es ist ein Abfall, von dem keine Heilung und Bekehrung mehr vorausgesagt ist. Von der einstmals so großen römisch-katholischen Kirche bleiben heute nur ganz wenige Bischöfe und Priester ihrer heiligen Verpflichtung treu.
Der Berg schrumpft so zusammen, daß die Worte der Geheimen Offenbarung des Apostels Johannes sich bewahrheiten: "Satan sammelt die Völker zahlreich wie den Sand am Meer und führt sie zum Kampf gegen das Lager der Heiligen, und sie umzingeln die geliebte Stadt" (20,8). Der Beweis dafür, daß dieses umzingelte Lager der Heiligen nachher nicht noch einmal ein Berg wird, der die ganze Erde bedeckt, liegt in den unmittelbar folgenden Worten: "Und Feuer fällt vom Himmel und verzehrt die Feinde, und der Teufel, der sie verführte, wird in den See von Feuer und Schwefel geworfen, wo schon das Tier und der falsche Prophet in alle Ewigkeit gequält werden".
Das sogenannte Zweite Vatikanische Konzil hat in seiner Gesamtheit die Hand gegen das Opfer des Allerhöchsten ausgestreckt. Anfangs konnten selbst einzelnen Konzilsbischöfe den getarnten Frevel nicht sofort bemerken, weil man als Katholik so etwas gar nicht für möglich hielt. Aber dann, als Paul VI. im Jahre 1969 die neue sogenannte Eucharistiefeier einführte, kam die Wahrheit, besser gesagt, die Unterdrückung der Wahrheit, zum Vorschein. Unter Mißbrauch seiner höchsten Amtsgewalt sprach Paul VI. im Januar 1970 die Worte: "Wir stehen erst am Anfang der Reformen". So wie einst der ägyptische Pharao die Israeliten in seiner Knechtschaft behalten wollte, so will Paul VI. die Katholiken in den Glaubensabfall hineinknechten. Heute sehen wir, wohin der Weg führt: Der weltbeherrschende Berg des Propheten Daniel wird von Paul VI. und den Konzilsbischöfen abgetragen, damit die Reiche der Welt und die Reiche der Gottlosigkeit sich an seine Stelle setzen können. Dieses verwegene Tun und dieser hartnäckige Mißbrauch der höchsten Ämter in der Kirche wird aber todsicher den Augenblick herbeifahren, indem die ewige Herrschaft des Gottmenschen Jesus Christus endgültig vor aller Welt kundgetan und unzerstörbar aufgerichtet werden muß.
Jesus Christus selbst wird jenen verblendeten Oberhirten HALT gebieten, die beim sogenannten Konzil wußten, was sie wollten, und die die Zerstörung des heiligen Opfers mit den Wörtern "Einheit" und "Reform" zu tarnen suchten.
Der Berg des Propheten Daniel ist ewig im gleichen Sinne, in dem der Engel Gabriel zur Jungfrau von Nazareth sprach: "Er (nämlich Jesus) wird herrschen im Hause Jakob in Ewigkeit, und seinen Reiches wird kein Ende sein". - Weil aber heute die Reiche der Welt, die Reiche des Heidentums und die Reiche der verschworenen Gottlosigkeit sich unter Beihilfe der höchsten kirchlichen Würdenträger an die Stelle des vom Propheten Daniel vorausgeschauten ewigen Berges setzen, darum kann der Tag des Gerichtes nicht mehr ferne sein. Denn ohne das Feuer vom Himmel und ohne göttliches Gericht können die Reiche der Welt und des Heidentums und der Gottlosigkeit, die den Berg Daniels endgültig verdrängen wollen, nicht mehr überwunden werden.
Mit dem bloßen "ökumenischen Dialog" Pauls VI. und der Konzilsbischöfe kann der Berg Daniels dem Ansturm der Welt, des Heidentums und der Gottlosigkeit nicht standhalten.
Die heutige Menschheit kann ihre Atombomben hüten und bewachen, wie sie will und so gut sie es vermag: Das Feuer vom Himmel wird trotzdem kommen. Denn so ist es vorausgesagt, und der Berg des Propheten Daniel, das heißt die unzerstörbare Herrschaft des Gottmenschen Jesus Christus, wird sich in Ewigkeit über die erneuerte Erde erstrecken.
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