ZWEI ENTGEGENGESETZTE HEERLAGER
von Alois Jurator
"Nachdem das Menschengeschlecht von Gott, seinem Schöpfer und dem Spender der himmlischen, übernatürlichen Gnaden, elendiglich abgefallen war, teilte es sich in zwei verschiedene und entgegengesetzte Heerlager; das eine streitet unausgesetzt für Wahrheit und Tugend, das andere für alles, was der Tugend und der Wahrheit zuwider ist. Das eine Heerlager ist das Gottesreich auf Erden, nämlich die wahre Kirche Christi, und wer diesem Heerlager aufrichtigen Sinnes und zu seinem Heile anhangen will, muß Gott und seinen eingeborenen Sohn mit ganzer Seele und völliger Hingabe des Willens dienen. Das andere Heerlager ist das Reich des Satans, unter dessen Botmäßigkeit und Gewalt alle stehen, welche nach dem Beispiele ihres Führers und der Stammeltern dem göttlichen und ewigen Gesetze den Gehorsam verweigern und ihre Handlungen teils mit Hintansetzung Gottes, teils geradezu gegen Gott unternehmen.
Dieses doppelte Reich, zwei Reichen vergleichbar, die bei entgegengesetzter Verfassung entgegengesetzte Ziele verfolgen, sah und beschrieb genau Augustinus, und er faßte die Ursache beider in treffender Kürze also zusammen: 'Eine zweifache Liebe hat zwei Reiche errichtet: nämlich die zur Verleugnung Gottes führende Selbstliebe das irdische Reich, die zur Selbstverleugnung führende Gottesliebe das himmlische Reich'."
So beschreibt Papst Leo XIII. die realen Zustände auf unserer Erde, in seiner Enzyklika vom 2o.4.1884. Die grundlegende Gesetzmäßigkeit, nämlich das Bestehen der zwei entgegengesetzten Heerlager kennzeichnet die Jahrtausende und auch das Jahrhundert, welches seit dieser Enzyklika vergangen ist. Am Prinzip hat sich nie etwas geändert; das äußere Bild der Konfrontation ist dagegen veränderlich.
In unseren Tagen haben sich besonders zwei Dinge verändert; das sind zunächst die Uniformen und Dienstbezeichnungen. Der Feind hat seinen Leuten vielfach Gewänder und Titel gegeben, von denen wir meinten, er hätte dafür nur Haß- und Wutausbrüche übrig. Das zweite, was sich geändert hat ist der Frontverlauf. Genauer müßte man sagen: es gibt gar keine geordnete Front mehr. Auf der Seite Christi gibt es nur noch einzelne Personen oder ganz kleine Gruppen, welche noch Widerstand leisten. Das ist sehr bedauerlich wegen der Gefahr der ewigen Verdammnis, welche die Massen, welche das Heerlager Christi verlassen haben, akut bedroht; es ist dagegen absolut unwichtig in bezug auf den endgültigen Sieg, welcher dem Heerlager Christi sowieso sicher ist. Derjenige welcher von sich sagen kann: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden", (Matt. 28.18) braucht unsere Hilfe nicht. Einzig seine unendliche Liebe zu uns verschafft uns noch die Möglichkeit in seinem Heer zu dienen, damit wir uns Verdienste erwerben können, um so in seine Herrlichkeit zu kommen.
Wegen des Wechsels der Uniformen sollten wir nicht allzusehr überrascht sein; denn der HERR hat uns deutlich gewarnt: die Wölfe werden im Schafspelz kommen. Auch die Schwierigkeiten bei der Analysierung des Frontverlaufs hat er uns vorausgesagt: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen". D.h. doch auch soviel wie: die Stellung, die einer besetzt hält, sagt nichts aus über die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Gruppe. Wir sind verpflichtet, die für die Treue zu Christus notwendige Unterscheidung der Geister nach der Übereinstimmung mit dem Unveränderlichen und nicht nach dem durch Propaganda Machbaren vorzunehmen. Titel für Personen und Bezeichnungen für irgendwelche Dinge interessieren uns erst in zweiter Linie. Uns interessieren die Handlungen der Leute, nicht ihr gut berechnetes Gerede, und bei den Dingen der tatsächliche Inhalt.
Was ist nun aus dieser Sicht zum sog. "Novus ordo Missae" zu sagen? Da uns der Name nicht sonderlich interessiert, wenden wir uns dem Inhalt zu. Da ist gewiß noch einiges, was an die hl. Messe erinnert; daneben ist aber alles fein säuberlich nach dem Geschmack derer verändert, welche schon lange geltend machen, man habe sich die Erlösung anders vorzustellen als dies die Kirche immer gelehrt hat. Die hl. Messe entspricht nun aber der wirklichen, tatsächlich durch Christus erfolgten Erlösung. Diese Erlösung besteht darin, daß Christus die Beleidigungen, welche wir Gott angetan haben, durch sein Blut auslöscht und an deren Stelle seine "zur Selbstverleugnung führende Gottesliebe setzt". Diese von Christus in jeder hl. Messe in höchster Vollendung wiederholte Selbstverleugnung muß von jedem, der an den Früchten des hl. Opfers teilhaben will, nach Kräften nachvollzogen werden.
Die Sündenschuld der Menschheit ist eine ganz konkrete und bestimmte. Das Erlösungswerk ist ein ganz konkretes und bestimmtes. Es entspricht genau der Rettung von dieser Schuld. Die hl. Messe ist die Zuwendung dieser Rettung; sie muß dem Erlösungswerk Christi entsprechen. Da bleibt kein Spielraum für eine Veränderung im Sinne des sog. "NOM". All denen, welche die Erlösung anders haben wollen als Jesus sie gewirkt hat und im hl. Meßopfer sie immer noch aufs neue wirkt, fehlt es an der Bereitschaft zu Selbstverleugnung. Das neue Gebilde - der "NOM" - ist denen recht, welchen es an der Bereitschaft zur Selbstverleugnung fehlt; dieses Gebilde ist nicht die hl. Messe. Wer uns dieses Gebilde aufzwingen will, wer es selbst benützt oder im Bereich seiner Amtsvollmacht einführt oder nur duldet, dem fehlt das Kennzeichen, nach welchem wir ihn als zum Heerlager Christi gehörig erkennen können. Einen solchen Menschen können wir auch niemals darum bitten, er möge im Reich Christi das Meßopfer wieder erlauben; denn er gehört nicht zum Reich Christi. Woher soll er denn die Vollmacht haben, zu gebieten und zu verbieten? Im Sinne der Werke der geistlichen Barmherzigkeit kann man solchen Leuten nur sagen: wir brauchen keine Erlaubnis für die hl. Messe; den Priestern Christi ist sie nicht nur erlaubt, sondern sogar vorgeschrieben; bekehrt euch und folgt wieder Dem nach, welcher in seiner "zur Selbstverleugnung führenden Gottesliebe" seinen letzten Blutstropfen gegeben hat. Wenn sich die abgefallene Hierarchie in diesem Sinne bekehren würde, dann haben auch wir Hoffnung, ''daß die Schwierigkeiten mit Rom endlich eine Lösung finden werden".
Hoffnung im Sinne einer "friedlichen Coexistenz der vor- und nachkonziliaren Riten" haben wir dagegen nicht. Die hl. Messe und ein Gebilde, welches den Leuten Raum gibt für die Illusion, nach welcher die Erlösung doch noch anders denkbar wäre als in der Form, wie es die Kirche immer gelehrt hat, kann im Heerlager Christi niemals nebeneinander geduldet werden.
Christus hat uns erlöst, und bei der hl. Messe erhalten wir die Früchte seiner Erlösung; wer dürfte sich da unterstehen, dieses heilige Geschehen so umzugestalten, daß die wesentlichen Dogmen der Erlösung verschwiegen werden? Wer unter dem Titel "Messe" etwas anderes will, zum Beispiel eine Mahl-Gemeinschaft, der sucht nicht das, wø<s uns Christus bei der hl. Messe tatsächlich anbietet. Diese Dinge suche man außerhalb der hl. Kirche besser im Wirtshaus. Einen Ort, an welchem beides nebeneinander "in friedlicher Coexistenz" angeboten wird, kann und darf es nicht geben. Ebensowenig wie es eine friedliche Coexistenz der eingangs beschriebenen, entgegengesetzten Reiche geben kann. Wer hier eine friedliche Coexistenz fordert, der vergißt das Wichtigste, nämlich das Allerheiligste. Darf denn der Priester in einem entweihten Gotteshaus zelebrieren? Den HERRN dort im Tabernakel wohnen lassen, wo der Kult des Menschen praktiziert wird? Kann der Priester die hl. Kommunion an ein Volk austeilen, dem das friedliche "offizielle" Nebeneinander wichtiger ist als die Ehre Gottes? Auch ist es für das Seelenheil des Einzelnen entscheidend wichtig, daß der Leib des Herrn von gewöhnlicher Speise unterschieden wird. Wie könnte aber in Gemeinschaft mit denen, welche die Gegenwart Christi in einem ganz anderen Sinn verstehen, dieses Gebot beachtet werden? Wer die Ehre Gottes sucht und das Heil der Seelen, der kann hier keine Möglichkeit für friedliche Coexistenz sehen, sondern nur einen Abgrund, vor dem uns Gott bewahren möge.
Was ist nun unter Berücksichtigung der bestehenden zwei Reiche zum "Vaticanum II" zu sagen? Das "Vaticanum II" hat aufgrund eigener Zielsetzung keine unfehlbaren Lenren definiert. Es hat noch etliches ausgesagt, was mit der Lehre der Kirche übereinstimmt. Daneben hat es aber den vorhandenen, eindeutigen Lehren, mehrdeutige Aussagen beigegeben. Das verträgt sich nicht mit der Weisung Christi: "Euere Rede sei: Ja, ja; nein, nein! Was darüber hinausgeht ist vom Bösen." (Matt. 5.37). Die eindeutige Lehre ist frohe Botschaft. Wem sollen die Mehrdeutigkeiten etwas nützen? Den Angehörigen des Reiches Christi bestimmt nicht und denen, welche sich zu diesem Reich bekehren sollen, jedenfalls auch nicht. Deshalb können wir nicht sagen, wir nehmen das Konzil an weil es auch Wahres ausgesagt hat, sondern wir lehnen das Konzil ab, weil es den vorhandenen eindeutigen Lehren Mehrdeutigkeiten beigegeben hat. Und wenn einer kommt und meint, er könne das Gemixe der Konzilsakten nach der Tradition auskochen, damit wir es konsumieren und die Urheber versöhnlich werden, dann lehnen wir das entschieden ab; denn wir haben die verbürgte Lehre als gesunde Stärkung für Leib und Seele.
Wir können und wollen uns nicht retten mit diplomatischer Akrobatik.Christus wird uns retten, wenn wir an seiner unverfälschten Lehre und seinen unverfälschten Sakramenten festhalten und danach leben. Wir erwarten nicht, daß "der größte Sohn" irgend eines Volkes "der Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes", ein neues Pfingsten schenke" - mit dem Gerede von einem neuen Pfingsten hat man schon oft genug das angepriesen, was mit dem einmaligen Pfingsten nicht vereinbar ist -, jetzt hoffen wir nur noch auf einen Sohn, auf den Sohn Gottes, auf Christus den Gekreuzigten. Deshalb wollen wir alles annehmen, was der Heilige Geist beim einmaligen Pfingsten der Weltgeschichte und in den zweitausend Jahren danach in seiner Kirche gewirkt hat. Wir bitten nicht darum "das Experiment der Treue" machen zu dürfen, denn wir haben von der Kirche, welche auf das einmalige Pfingsten zurückgeht, den Befehl zur Treue, und zwar nicht als Experiment, sondern als demütigen Dienst vor dem HERRN. |