EINE AUFSCHLUSSREICHE PRÄFATION
von
Günter F. Grund
In ihrer fast 2ooo-jährigen Geschichte hat die kath. Kirche Zeiten der
Auflösung und schwere Krisen durchlebt. Insofern ist die Situation der
Kirche in den letzten 2o Jahren kein Novum. Ohne Beispiel ist jedoch
die Dimension des Zerfalls, der die gesamte Kirche ergriffen hat, sowie
die erschreckende Tatsache, daß die Apostasie von Rom ausgegangen ist.
Im "Sacramentarium Leonianum" (ca. 6. Jahrhundert) ist uns eine
Meßpräfation überliefert, die den Zustand der Römischen Kirche z.Zt.
des Papstes Damasus (366-384) widerspiegelt. Die Präfation ist leider
auch ein Beweis für den damaligen liturgischen Tiefstand. Der Text
bedarf eigentlich keines Kommentars und ist gerade heute von einer
erschütternden Aktualität:
"Es ist in Wahrheit würdig und recht, billig und heilsam, Dir immer und
überall Dank zu sagen, Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott.
Der Du uns durch himmlische Lehren in vollkommener Weise unterrichtest
und dabei zeigst, wie wir die falschen Brüder von Deinen Gläubigen
unterscheiden können. Durch die Stimme Deines Eingeborenen verkündest
Du nämlich: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Zu diesen
gehören nämlich solche, die in ihrem fleischlichen Sinn aufgeblasen
sind und sich nicht an (Christus als) das Haupt halten. Zu diesen
gehören jene, die an Irdisches denken und daher die Worte der Dich
Anflehenden verschmähen. Sie sind ungeistig und fleischlich, weshalb
sie das, was vom Geiste Gottes ist, nicht aufnehmen. Zu diesen gehören
jene, die irre geworden sind im Glauben und nicht wissen, was sie
sprechen und behaupten, die (den Glauben) oft zu untergraben versucht
haben und (es noch) tun. Zu diesen gehören heimtückische Mitarbeiter,
die sich einschleichen, um der Freiheit der Kirche, die sie in Christus
besitzt, aufzulauern, damit sie diese mit sich in die schändliche
Knechtschaft zurücktreiben. Zu diesen gehören jene, die in die Häuser
gehen und mit Sünden beladene Frauen einfangen, wobei sie nicht nur die
Güter der Witwen, sondern auch die von Ehefrauen verprassen.
Sie geben sich gar keine Mühe, gerecht zu erscheinen, weiß und sauber,
nicht einmal nach außen hin. Sie rühmen sich, die Schamhaftigkeit mit
Füßen tretend, (sogar) öffentlich ihres schlechten Lebenswandels, und
indem sie draußen (allen) Schmutz aufnehmen, sind sie nicht so sehr
voll mit Totengebeinen, sondern vielmehr selbst (schon tot). Für sie
paßt die Stelle im Evangelium: Wenn das Licht in dir Finsternis ist,
wie groß ist dann die Finsternis selbst. Denn wenn in dem, was sichtbar
ist, Dunkel herrscht und Dunkelheit infolge der Schande schlechten
Rufes, dann ist es ganz offensichtlich, daß sie im Verborgenen das tun,
was schändlich ist, (davon) zu reden. Diese schrecken nicht nur durch
ihre Verworfenheit diejenigen, die zu Deiner Gnade kommen wollen, ab,
sie bieten auch den Brüdern innerhalb (der Kirche), für die Christus
gestorben ist, durch ihre Schlechtigkeit Gelegenheit zum Fall.
Du befiehlst, uns vor solchen zu hüten, indem Du durch Deinen Apostel
uns lehrst: Trennt euch von jedem Bruder, der ungeordnet lebt. Und Du
befiehlst uns das zu tun, was Deine wirklichen Gläubigen (tun), wenn
sie es sehen, nämlich Dich, den himmlischen Vater gemeinsam zu loben
und zu preisen, von dem jedes vollkommene und beste Geschenk eines
vernunftgemäßen Gewissens und guten Rufes herabsteigt. Durch Christus
unsern Herrn." (aus: Gamber: "Sacrificium Laudis")
Es ist deprimierend feststellen zu müssen, daß dies alles nicht nur auf
die heutigen Apostaten und Glaubenszerstörer zutrifft, sondern zum Teil
auch auf jene, die sich als 'glaubenstreu' bezeichnen. Gäbe es nicht
die Verheißung des Herrn an Seine Kirche (vgl. Matth. 16,18), so könnte
man schier verzweifeln. |